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Die Selbsterhaltung der Staatsoper wäre wirtschaftlich unmöglich

Von Stefan Janny

Reflexionen
Georg Springer (links): "Wenn die Konjunktur wieder ansteigt, dann spüren wirnormalerweise gewisse Rückgänge in den Verkaufszahlen." Foto: Newald

Enttäuschung über Ausgang der Budgetverhandlung. | Kartenverkäufe nicht rückläufig. | Georg Springer: Wenn man diesen Job seit 20 Jahren macht, dann hat man auch mit Krisen so seine Erfahrungen.. . | Allerdings wohl kaum mit einer so gravierenden.. .


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... wenn auch nicht mit einer so gravierenden. Aber mit konjunkturellen Berg- und Talfahrten hat man seine Erfahrungen, und diese werden auch jetzt voll bestätigt. Zu Beginn des Abschwungs sind bei uns beim Publikumsinteresse keine nachteiligen Auswirkung zu merken, sondern, ganz im Gegenteil, eher eine leichte Zunahme. Ich kann mir das nur so erklären, dass zwei Staatsopernkarten, die in unserem Verband die teuersten sind, immer noch ein vergleichsweise preisgünstiges Vergnügen gegenüber anderen Luxusanschaffungen sind.

Staatsoperndirektor Ioan Holender hat gemeint, dass er, wenn für die normalerweise immer ausverkaufte "Tosca" nun ein paar wenige Karten übrig bleiben, das auf die Wirtschaftskrise zurückführt.

Es hat Ende Jänner, Anfang Februar ein dreiwöchige Ausnahme von der Regel gegeben. Da hat es einen eklatanten Einbruch im Verkauf bei Standardwerken wie "Tosca" oder "Barbier von Sevilla" gegeben, die sich normalerweise von selbst verkaufen. Diese Phase war nach drei Wochen beendet, und die Verkaufszahlen haben sich auf normalem Niveau eingependelt. Die Staatsoper steht heute mit beträchtlichen außerplanmäßigen Einnahmen da. Aber die Erfahrung lehrt uns, dass, wenn die Krise überwunden ist, etwas eintritt, was wir als große Ungerechtigkeit empfinden: Wenn die Konjunktur wieder ansteigt, spüren wir normalerweise gewisse Rückgänge in den Verkaufszahlen.

Was ist die Ursache für diesen merkwürdigen Effekt?

Ich kann mir das nur so erklären, dass dann Sparformen und Kapitalanlagen wieder interessanter werden und man eher überlegt: Kaufe ich mir zwei teure Theaterkarten und gehe gut essen, oder investiere ich das Geld lieber anders.

Hängt dieser Effekt damit zusammen, dass konjunkturbedingte Veränderungen in den Zahlen der Abonnementbestellungen erst mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung sichtbar werden?

Nein. Die Krisensicherheit bei den Festabonnements geht an die 100 Prozent, denn das hat halt mit Wiener Bürgertum zu tun.

Gibt es das Wiener Bürgertum überhaupt noch?

Ich glaube schon, wenn auch in veränderter Form. Es gibt Bildungsbürgertum. Jene, die es als ein Gebot der Notwendigkeit empfinden, dass man an einem Tag Shakespeare und am nächsten Schiller sehen kann. Es dürfen dazwischen auch ein paar neuere Sachen sein, wenn danach wieder ein Lessing gespielt wird. In dieser Beziehung gibt es immer noch ein Bürgertum, das sich auch als solches versteht. Was gerne vergessen wird: Ohne Abonnenten wären die Bundestheater nicht finanzierbar.

Ganz sicher nicht finanzierbar wären die Bundestheater ohne die Subventionen der öffentlichen Hand. Sie haben nun eine Steigerung der Basisabgeltung um 3,5 Millionen Euro erhalten. Das ist deutlich weniger als gefordert.

Das Ergebnis der Budgetverhandlungen war mit 3,5 Millionen für uns sehr bedauerlich, weil der ausgewiesene Bedarf weit höher ist. Die Museen haben im Vergleich einen vielfach geringeren Personalaufwand. Sie sind mit 8,5 Millionen bedacht worden. Die Frau Bundesministerin wird wissen, warum dort der Finanzierungsbedarf höher ist.

Ich bin deshalb so enttäuscht, weil die Erhöhung um 3,5 Millionen eine Flickwerksituation bedeutet. George Tabori hat einmal gesagt: Wenn es da oben im Himmel jemanden gibt, dann hat er Österreich zwei Geschenke gemacht: Das eine ist die Landschaft, das andere ist die kulturelle Tradition, die dieses Land hat.

Wenn man der Meinung ist, man entzieht sich der Problematik am einfachsten dadurch, dass man mit dem eisernen Rechen gleichmäßig durchs Land fährt, dann wird man Wichtiges mangels Zuwendung, mangels Ausnahmebehandlung umbringen und anderes am Leben erhalten, ohne die Wichtigkeit diskutiert zu haben.

Anders ausgedrückt: Kleine Off-Theater und zweitrangige Museen werden zu Lasten der Bundestheater überproportional gefördert?

Nein, das meine ich nicht. Ich meine den Kunstbereich insgesamt. Off-Theater und kleine Museen gehören genauso zur kulturellen Identität Österreichs wie Bundestheater, Albertina, Kunsthistorisches Museum und Salzburger und Bregenzer Festspiele.

Meine Sorge ist, dass es kein Wertbewusstsein für das gibt, was George Tabori als die kulturelle Tradition Österreichs bezeichnet hat: Dass man es als Selbstverständlichkeit empfindet und glaubt, das erhält sich von selbst. Das Kunsthistorische Museum und die Staatsoper können sich aber nicht selbst erhalten. Das ist wirtschaftlich unmöglich. Ich habe größtes Verständnis fürs Sparen. Aber irgendwann ist das Ende der Machbarkeit erreicht, und dann geht es an die Substanz der Betriebe.

Wem würden Sie das zusätzliche Geld wegnehmen, das Sie gerne hätten?

Ich treffe diese Entscheidung, indem ich alle vier oder jetzt fünf Jahre zur Wahl gehe. Ich glaube, von einer verantwortungsvollen Politik erwarten zu können, dass sie diese Wertigkeiten festsetzt.

Das war sehr ausweichend. Wem würden Sie das Budget kürzen, damit die Bundestheater mehr bekommen?

Ich nehme das platteste Beispiel: Wenn ich mir die Anschaffungs- und Betriebskosten der Abfangjäger ansehe, dann frage ich mich: Was ist wichtiger? Die kulturelle Attraktivität Österreichs aufrechtzuerhalten oder in einer überzogenen Form die bewaffnete Neutralität zu dokumentieren?

Sie würden also das nach Meinung zahlreicher Experten ohnedies viel zu knappe Bundesheerbudget zugunsten der Kulturinstitutionen weiter zusammenstreichen?

Es gibt ja auch viel bessere Beispiele, aber man kann mir nicht sagen, es gebe keine Alternativen. Dass das Gleiche wie bisher mit dem gleichen Geld nicht mehr geht, ist vollkommen klar. Aber es ist sicher nicht die Aufgabe der Theater, darüber nachzudenken, wie sie über das sinnvolle Ausmaß hinaus Einsparungen lukrieren können.

Natürlich kann man sagen, die Werkstätten der Bundestheater können wir uns nicht mehr leisten. Dann erwarte ich aber auch, dass man das so ausspricht. Das würde bedeuten, dass wir in Rumänien, Tschechien oder in England, wo es Werkstättenbetriebe gibt, einkaufen müssen. Ob das letzten Endes aber zu einer Kostenersparnis führt, wage ich zu bezweifeln.

Viele andere Unternehmen haben es aber trotz erhöhter Komplexität der Logistik geschafft, durch Auslagerungen einzusparen.

Auch wir. Genau aus diesen Gründen haben wir inzwischen ein Tochterunternehmen in der Slowakei und einen Teil der Bildhauerei in Rumänien. Interessant ist, dass wir in unseren Aufsichtsräten eher Missfallen geerntet haben, weil damit ja faktisch öffentliches österreichisches Geld ins Ausland gehe.

Wie erklären Sie einem oberösterreichischen Arbeiter, der jetzt kurzarbeiten muss oder sogar seinen Job verloren hat, dass sein Steuergeld dafür verwendet wird, um Theater- beziehungsweise Opernaufführungen für Touristen und das Wiener Bildungsbürgertum zu subventionieren?

Indem ich ihn davon überzeugen würde, dass das, was Österreich zu bieten hat, Motor für das Verlassen einer Krise ist und dazu beiträgt, dass es wieder die Kraft zu einer positiven Entwicklung gibt. Ich glaube, es wäre das Schaurigste, wenn dieses Land keine Anziehungskraft mehr für den Tourismus hätte, der eine ungeheure wirtschaftliche Bedeutung hat. Ich glaube nicht, dass jemand deshalb nach Österreich kommt, weil er sich hier militärisch besonders gut bewacht fühlt. Der Erste, der das verstehen wird, ist jemand, der von einer deprimierenden wirtschaftlichen Situation betroffen ist. Da darf ich mein Tafelsilber nicht verstecken und schon gar nicht herschenken oder verschleudern.

Es steht den Bundestheatern aber die Möglichkeit offen, sich Sponsoren zu suchen.

Wer behauptet, dass uns die Möglichkeiten des Sponsorings im nötigen Ausmaß offen stehen, der kennt die tatsächlichen Verhältnisse zu wenig. Sponsoring ist im Bundestheaterkonzern von 0,9 Millionen Euro in der Saison 1999/2000 auf 4,9 Millionen 2007/2008 gestiegen, macht aber trotzdem nur 2,2 Prozent des ertragsseitigen Budgets aus.

Da müsste man sich doch als Erstes fragen: Warum ist das nicht mehr, können die alle nichts? Wenn dem so wäre, gäbe es eine ganz einfach Maßnahme: Man tauscht die Geschäftsführungen aus.

Klaus Albrecht Schröder hat als Direktor der Albertina allerdings ein Vielfaches dieser Beträge für seine Institution bei Unternehmen und privaten Förderern lukriert.

Die andere Seite hört das nicht gerne, aber es gibt in der Attraktivität für Förderer einen erheblichen Unterschied zwischen toter und lebender Kunst. Die Investition in das nicht Lebende wird viel bereitwilliger gegeben, weil die Garantie da ist, dass das in alle Ewigkeit bestehen bleibt. Eine Opernproduktion oder die Saison eines Theaters können schiefgehen.

Georg Springer wurde am 20. August 1946 in Wien geboren und studierte Rechtswissenschaften an der juridischen Fakultät der Uni Wien, wo er danach Universitätsassistent für Staats- und Verwaltungsrecht war. Anschließend wechselte er zum Verfassungsdienst des Bundeskanzleramts.

1988 wurde Springer zum stellvertretenden Generalsekretär des damaligen Österreichischen Bundestheater-Verbandes ernannt. 1991 wurde er Nachfolger von Rudolf Scholten Generalsekretär.

Seit der Ausgliederung der Bundestheater 1999 fungiert er als Geschäftsführer der Bundestheater-Holding GmbH. Zudem ist Springer Mitglied des Kuratoriums der Salzburger Festspiele.