Kritik an Kammer: Kriterien zur Evaluierung von Ärzten selbst erstellt. | Hauptverband fordert unabhängige Stelle zur Qualitätssicherung. | Wien. Mehr als 1000 der rund 17.500 österreichischen Arztpraxen haben in den vergangenen zwei Jahren zugesperrt. Der Grund: Die Ärztekammer hat 2006 eine verpflichtende Evaluierung aller Ordinationen gestartet - wer sich dem nicht unterziehen will, muss zusperren.
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Laut dem Vorsitzenden des Evaluierungsbeirats, Otto Pjeta, müssen die Ärzte zunächst einen Fragebogen ausfüllen - abgefragt werden etwa Modernität der Geräte, Patienteninformation und Einhaltung der Hygienevorschriften. Bei einem Besuch in der Praxis werden dann die Gegebenheiten vor Ort überprüft, gibt es Mängel, so hat der Arzt drei bis vier Wochen Zeit, diese zu beheben. Ist alles in Ordnung, so erhält der Arzt ein entsprechendes Zertifikat. Dies ist bisher bei rund 7500 Praxen der Fall. Rund 400 müssen noch überprüft werden, der Rest steht kurz vor dem Abschluss der Evaluierung. Bis Ende 2008 müssen alle Ordinationen evaluiert sein, sonst droht der Entzug des Kassenvertrags oder - bei kassenfreien Ärzten - die Meldung an die Disziplinarkommission der Kammer, so Pjeta.
Der Hauptverband der Sozialversicherungsträger weiß davon allerdings noch nichts. "Die Kammer muss uns nicht mitteilen, wenn es Qualitätsmängel gibt", klagt Sprecher Dieter Holzweber. Er hätte sich ohnehin eine unabhängige Agentur zur Überprüfung der Ärzte-Qualität gewünscht.
Denn die laufende Evaluierung wird von der "Österreichischen Gesellschaft für Qualitätssicherung und Qualitätsmanagement in der Medizin" (ÖQMed) durchgeführt, einer hundertprozentigen Tochter der Ärztekammer. Die Kriterien für die Evaluierung hat die ÖQMed selbst entwickelt.
Vergangene Woche hat der Vorsitzende der Patientenanwälte, Gerald Bachinger, die ÖQMed im "Kurier" scharf kritisiert: Es werde nur "überprüft, ob der Arzt lesen und schreiben kann".
Das kann wiederum Pjeta nicht verstehen. Zwar werden die Kosten für die Evaluierung von rund 700.000 Euro jährlich von den Ärzten selbst getragen, es gebe aber einen Auftrag dazu aus dem Gesundheitsministerium. "Es gibt im Umfeld des Hauptverbands einige unabhängige Einrichtungen, die letztendlich vom Hauptverband finanziert werden", kontert Pjeta Richtung Holzweber.
Der Vorschlag der Sozialpartner im Rahmen der Gesundheitsreform, die Kassen könnten an Qualitätskriterien gekoppelte Einzelverträge mit den Ärzten abschließen, macht Pjeta "zutiefst misstrauisch". Hier werde nur "versucht, Ökonomie unter dem Titel der Qualitätssicherung zu verkaufen", sagt er.
Das sieht der Hauptverband naturgemäß anders. Es könne nicht sein, dass sich die Kammer immer "auf ihre Selbstheilungskräfte beruft", meint Holzweber. Er zeigt sich zwar "positiv überrascht" über die Schließungen im Zuge der Evaluierung, glaubt aber, dass diese hauptsächlich Ärzte betreffen, die ohnehin bereits in Pension gehen und sich daher keine neuen Geräte leisten wollten. Eine externe Qualitätskontrolle "war immer unser Wunsch - und das werden wir auch bei den Verhandlungen zur Gesundheitsreform ansprechen".
Aus dem Gesundheitsministerium heißt es dazu, dass eine Qualitätssicherungsagentur bereits im Aufbau sei - und zwar "ohne Standesvertreter".