Die Industrie freut sich über die wachsende Nachfrage nach Hilfsrobotern, die das Leben erleichtern.
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Wien/Frankfurt. Sie können ohne Aufsicht Rasen mähen, selbständig die Wohnung saugen, Fenster putzen oder Grundstücke überwachen: Serviceroboter erobern nicht nur den Dienstleistungssektor, sondern zunehmend auch private Haushalte. Neben lästigen Haushaltspflichten übernehmen Assistenzroboter aber auch immer komplexere Aufgaben. So hilft ein in Wien entwickelter Hilfsroboter älteren Menschen dabei, länger in den eigenen vier Wänden zu leben.
Stürze in der eigenen Wohnung sind bei betagten Personen die häufigste Ursache für die Übersiedelung in ein Pflegeheim. Wissenschafter der TU Wien entwickelten deshalb im Rahmen eines EU-Projekts einen Roboter, der sich selbständig durch die Wohnung bewegen und menschliche Befehle ausführen kann. Mittels Kamera und Greifarm ist der Roboter namens "Hobbit" in der Lage, den Boden gezielt nach herumliegenden Objekten abzusuchen, diese einzusammeln und so das Sturzrisiko zu senken.
"Er ist immer da":Sicherheitsgefühl erhöht sich
"Der wesentliche Vorteil des Hobbit ist: Er ist immer da", sagt Projektleiter Markus Vincze vom Institut für Automatisierungs- und Regelungstechnik der TU. "Und er erhöht das Gefühl der Sicherheit. Sollte etwas passieren, holt er automatisch Hilfe." Der Prototyp war bisher bei 18 alten Menschen im schwedischen Lund, im griechischen Heraklion und in Wien im Einsatz. "Fast alle Benutzer empfinden einen Roboter zu Hause als Hilfe, um länger unabhängig leben zu können", so Vincze.
Der Roboter ist auch Partner im Alltag. Das Gerät ist mit einem Touchscreen ausgestattet, kann Gesten erkennen und über Sprache kommunizieren. So kann der Hobbit per Sprachausgabe an Arzttermine erinnern und die Besitzer regelmäßig darauf hinweisen, ausreichend zu trinken. Und er sorgt für Unterhaltung - von Spielen bis zu Hörbüchern.
"Die Nachfrage nach Servicerobotern steht vor einem historischen Durchbruch", ist Joe Gemma, President of the International Federation of Robotics (IFR), überzeugt. "Neben dem etablierten Geschäft mit professionellen Servicerobotern tritt verstärkt das Verbrauchersegment, vom Haushaltsroboter bis zum technischen Unterhaltungskünstler, in den Vordergrund." Gemma stützt seine Aussagen auf die Ergebnisse des jüngsten Weltreports "Service-Roboter". Laut diesem stieg der Absatz privat genutzter Serviceroboter 2015 um 16 Prozent. Bis 2019 werden insgesamt elf Millionen Einheiten dieses Segments verkauft werden. Der Verkaufswert wird sich auf umgerechnet rund 8,13 Milliarden Euro summieren.
Stellt man Menschen vor die Alternative Serviceroboter oder Pflegeheim, dann fällt die Antwort eindeutig aus. Laut einer Umfrage des deutschen Meinungsforschungsinstituts forsa im April 2016 können sich 83 Prozent vorstellen, einen Serviceroboter zuhause zu nutzen - wenn sie dadurch im Alter länger selbstbestimmt leben könnten. "Das Potenzial ist enorm", meint auch Markus Vincze. "Jeder wird einen Roboter als Hilfe zu Hause haben wollen. Und dann braucht es auch noch Roboter, um diese zu fertigen. Im Endeffekt wird hier eine zweite und dritte Autoindustrie aufgebaut."
Hohe Akzeptanz undsteigender Absatz
Der Roboterindustrie stehen demnach rosige Zeiten bevor. Laut der Studie wurden 2015 bereits 3,7 Millionen Haushaltsroboter verkauft, vom Staubsauger über Rasenmäher bis hin zum Fensterputzer. Das bedeutet ein Plus von elf Prozent im Vergleich zu 2014. Ebenfalls stark im Trend sind Unterhaltungsroboter; hier sind vor allem Spielzeug- und Hobbyroboter hoch im Kurs. In diesem Segment gab es zwischen 2014 und 2015 einen Sprung um 29 Prozent bei den verkauften Einheiten. Zugleich ist der Absatz von Servicerobotern für professionelle Anwendungen 2015 um 25 Prozent gestiegen. Hier liegen die Medizinroboter mit ihren großen Einsatzgebieten bei Diagnose, Operationsassistenz und Rehabilitation an der Spitze; gefolgt von Landwirtschaftsrobotern, allen voran Melkroboter, und den Logistikrobotern mit einem hohen Anteil an Automated Guided Vehicles.
"In allen drei Top-Segmenten ist im Prognosezeitraum 2016 bis 2019 mit großer Wachstumsdynamik zu rechnen", heißt es in der Studie. Produziert wird die Servicerobotik derzeit mehrheitlich von europäischen Herstellern (43 Prozent), gefolgt von Unternehmen in den USA (37 Prozent) und in Asien (20 Prozent). Die nächste große Herausforderung für das Projektteam an der TU Wien steht bereits fest. Die Wissenschafter wollen den Hobbit fit für den Massenmarkt machen. Dazu haben sie sich das ambitionierte Ziel gesetzt, die Herstellungskosten des Hilfsroboters auf rund 5000 Euro zu drücken. Projektleiter Markus Vincze: "Derzeit gibt es noch einiges zu verbessern, aber ich schätze, in fünf bis zehn Jahren sind wir so weit."