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Die Skepsis ist nur eine politische

Von Martyna Czarnowska aus der Türkei

Wirtschaft

Türkei positioniert sich als attraktiver Handelspartner. | Ausländische Direktinvestitionen bei 20 Mrd. Dollar. | Eskisehir/Istanbul. Savas M. Özaydemir nimmt sich viel Zeit. Der Präsident der Industriekammer von Eskisehir hat auch viel zu erzählen, wenn er durch die flächenmäßig größte Industriezone der Türkei führt. 280 Unternehmen haben sich auf bisher 15 Mio. Quadratmetern angesiedelt, 450 Firmen sollen es bald sein.


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Metallverarbeitende und Maschinenbau-Betriebe reihen sich an Hallen, in denen Lebensmittel verarbeitet oder Ziegel produziert werden. 60 Prozent des Weltbedarfs an Borax - etwa für Glasuren auf Keramik verwendet - kommen aus Eskisehir. Auch Arcelik, international bekannt als Beko, hat dort seinen Standort: Mit einer Kapazität von 3,2 Mio. Kühlschränken im Jahr deckt das Unternehmen 60 Prozent des türkischen Bedarfs und exportiert 80 Prozent seiner Produktion.

Die Exporte der Mitglieder der Industriekammer - vor allem nach Deutschland - hätten sich seit dem Jahr 2000 verdreifacht, erzählt Özaydemir. Heuer beträgt ihr Volumen 1,2 Mrd. US-Dollar; der Umsatz liegt etwa bei 5 Mrd. Dollar. Die Exporte nach Österreich haben einen Wert von 34 Mio. Dollar: Den Löwenanteil liefert die Firma Mas mit jährlich 130.000 Tonnen Sintermagnesit für den Feuerfest-Weltmarktführer RHI.

"Es könnte ruhig mehr österreichische Investitionen geben", findet Mas-Geschäftsführer Muhsin Tügen. Die Skepsis in Österreich gegenüber der Türkei sei nicht verständlich.

Damit meint Tügen vor allem politische Einwände gegen eine Mitgliedschaft der Türkei in der Europäischen Union. Denn die Wirtschaft ist weit weniger zögerlich. So ist die EU bereits der wichtigste Handelspartner der Türkei, der 17.-größten Volkswirtschaft der Welt.

Auch Sadi Gücüm, Vorsitzender des "Turkish-Austrian Business Council" der Außenwirtschaftsorganisation DEIK in Istanbul, setzt auf die ökonomische Annäherung: "Je mehr Leute Geschäfte miteinander machen, desto besser werden auch die politischen Beziehungen." Sein Land klopfe an die Tür der EU und lasse sich nicht so einfach abweisen, stellt Gücüm fest.

Punkten mit Wachstum und Humankapital

Gute wirtschaftliche Voraussetzungen bringt die Türkei allemal mit: Immerhin verzeichnet sie seit 2002 ein BIP-Wachstum von rund 7 Prozent pro Jahr und hat ihre Exporte in der Zeit um 240 Prozent steigern können - auf 85 Mrd. US-Dollar im Vorjahr. Auch die Zahl der ausländischen Direktinvestitionen ist markant auf 20,2 Mrd. Dollar gestiegen. Dabei ist Österreich auf den 5. Platz der wichtigsten Investoren vorgerückt - unter anderem durch Beteiligungen der OMV oder des Verbund.

Auch mit Humankapital möchte die Türkei punkten: Von den etwa 75 Millionen Einwohnern sind 65 Prozent der Menschen unter 34 Jahren alt; rund 400.000 Studenten jährlich erhalten einen Universitätsabschluss.

Die türkische Wirtschaft entwickle sich weg vom Agrar- und Textilriesen hin zu einem modernen Industriestaat, heißt es auch in der Wirtschaftskammer Österreich. Dass dabei auch der High-Tech-Bereich nicht vernachlässigt wird, darauf weist wiederum Savas Özaydemir hin. Dafür hat er ebenfalls ein Beispiel aus der Industriezone in Eskisehir parat.

Keine Steuern für die Technologie

So sind Unternehmen, die bestimmte Qualifikationen mitbringen und sich im Science-Park - im Technologie-Zentrum - ansiedeln können, von Steuern befreit. "Anderen Firmen können wir keine Steuererleichterungen geben, das würde gegen EU-Richtlinien verstoßen", erklärt Özaydemir. "Doch auf der anderen Seite möchte die EU Forschung und Entwicklung fördern. Und wir können es auf diese Weise tun." Auch für Arbeitskräfte-Nachwuchs soll gesorgt werden: Eine eigene Schule mit Fachausbildung ist in Planung.