Bundespräsident Fischer setzte am Ende seiner Amtszeit einen ungewöhnlichen Schritt - eine Analyse.
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Wien. Es ist nicht außergewöhnlich, dass der Bundespräsident Regierungsmitglieder und hohe Würdenträger zu einer Aussprache in die Hofburg bittet. Heinz Fischer steht in ständigem Kontakt zu Bundeskanzler Werner Faymann und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner. Es ist seine Aufgabe, informiert zu sein, um sich ein Bild vom Zustand der Regierung, von der politischen Situation des Landes machen zu können. Um das Bild zu vervollständigen pflegt der Bundespräsident auch regelmäßige Gespräche mit Oppositionspolitikern.
Zu einem ungewöhnlichen Schritt hat sich Bundespräsident Fischer aber nun fast am Ende seiner Amtszeit durchgerungen: Er hat am Mittwochabend einen Großteil der Bundesregierung samt Landeshauptleuten und den Verwaltungsgerichtshofpräsidenten zu sich in die Hofburg berufen, wie die "Wiener Zeitung" berichtet hat. Dieser Einladung des Staatsoberhauptes lag allerdings weniger ein Informationsbedürfnis Fischers als eine Unzufriedenheit mit der Performance der Regierung zugrunde. Zu hören war, dass der Präsident nicht erfreut darüber war, dass Griechenland zur Westbalkankonferenz in Wien nicht geladen war. Außerdem soll der Bundespräsident besorgt sein über die Rolle der Regierung in der Flüchtlingsfrage und die daraus resultierende zunehmende Kritik aus der EU. So etwa soll Fischer Bedenken angemeldet haben, dass zwar Expertisen zu der beschlossenen Obergrenze in Auftrag gegeben wurden, die Obergrenze aber schon vor Einlangen der Expertisen in Spielfeld umgesetzt wird. Die Regierungsspitze wies nach dem Gespräch allerdings Vermutungen zurück, dass der Bundespräsident ihr einen Rüffel erteilt habe.
Tatsächlich kann gefragt werden, ob Fischer mit dieser doch bemerkenswerten Einladung, um nicht zu sagen mit der Zitierung, ein Präjudiz für künftige Präsidenten geschaffen hat, die Rolle des Amtes etwas breiter auszulegen, als das bisher der Fall war. Man könne durchaus aus der Verfassung herauslesen, dass der Bundespräsident mehr Spielraum hat, koordinierend einzugreifen, sagt Politikwissenschafter Peter Filzmaier. In dem gewollten Machtgleichgewicht von Parlament, Regierung und Präsident sollte der Präsident nicht als Staatsnotar abgetan werden.