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Die Spätfolgen . . .

Von Reinhard Göweil

Leitartikel
Chefredakteur Reinhard Göweil.

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Österreichs Demokratie hat 2000 einen deutlichen Schaden erlitten. Wolfgang Schüssels Entscheidung, den Rechtspopulisten Jörg Haider in die Regierung zu holen, spülte auf F-Seite (ja, die hießen auch einmal F . . .) Politiker in Entscheidungspositionen, die ausschließlich ihr persönliches Wohl im Auge hatten. Niemals zuvor wurde das Geld der Republik so unverfroren für das persönliche Wohlergehen von Parteigängern ausgegeben. Selbst in der ÖVP ließen sich einige damals von diesem "Uns kann nix passieren"-Virus anstecken. Uwe Scheuch ist eine Spätfolge dieses 2006 beendeten Experiments. Er ist nun das zweite Mal verurteilt, nutzt dies aber für wüste Beschimpfungen des Bundespräsidenten und der Ersten Nationalratspräsidentin. Das Ersturteil gegen Scheuch kommentierte der Dritte Nationalratspräsident Martin Graf sogar noch als "politische Schieflage der Justiz". Nun schweigt er - selbst mit Rücktrittsforderungen konfrontiert.

Auch die ÖVP schweigt zu den ungeheuerlichen Angriffen auf die beiden höchsten Ämter im Staat, die Scheuch später nur sehr matt abschwächte. Die Partei forderte zwar Scheuch zum Rücktritt auf, doch dies genügt nicht. Und das ist im Grunde genommen ebenfalls ein Skandal.

In Deutschland hielt sich die Politik bei den Angriffen gegen Christian Wulff lange zurück. Es gehe ja auch um das Amt des Präsidenten, so der Tenor von SPD und Grünen, die jeden Grund gehabt hätten, über den selbstverliebten CDU-Politiker in Schadenfreude auszubrechen.

In Österreich sind die Sitten verlotterter. Da dürfen die Repräsentanten der höchsten Ämter von einem wild gewordenen, in erster Instanz schuldig gesprochenen Politiker ebenfalls mit Rücktrittsforderungen bedacht werden - nur weil sie von der SPÖ nominiert worden waren.

Wenn aber maßgebliche Politiker keine Achtung mehr haben vor den demokratischen Institutionen der Republik, warum verlangt man dies von normalen Bürgern? Selbst wenn Scheuch (anders als sein Kärntner Parteikollege Manfred Stromberger rund um die Connect-Werbeagentur-Korruptionsaffäre, bei der Scheuch ebenfalls eine politische Rolle spielte) nicht zurücktritt: Die ÖVP muss sich aus den Jahren 2000 bis 2006 befreien und ein klares Wort finden, dass solche Angriffe auf die Institutionen unerträglich sind. Erst wenn sie zur Staatsräson zurückfindet, werden sich ihre Umfragewerte bessern. Derzeit wird sie für diese Indifferenz abgestraft. Und womit? Mit Recht.