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Die SPD auf der Suche nach der verlorenen Identität

Von WZ-Korrespondent Markus Kauffmann

Europaarchiv
Sigmar Gabriel. Foto: AP/Meyer

Parteitag soll Sigmar Gabriel küren. | Berlin. Sechs Wochen nach dem Debakel bei der Bundestagswahl kommen heute ein halbes Tausend SPD-Delegierte zu einem Bundesparteitag in Dresden zusammen. Bis Sonntag sollen eine neue Parteiführung gewählt, die Ursachen der Wahlniederlage vom 27. September geklärt und der Kurs für die nächsten Jahre besprochen werden.


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Die Parteitagsregie sieht für heute, Freitag, eine Art Schlussbilanz des scheidenden Vorsitzenden Franz Müntefering (69) und die anknüpfende Debatte vor. Am Nachmittag will sich Sigmar Gabriel (50) - bisher einziger Kandidat - mit einer Grundsatzrede für den Parteivorsitz empfehlen. Seine Karriere begann vor zehn Jahren als Nachfolger Gerhard Schröders im Amt des Ministerpräsidenten von Niedersachsen. In der abgelaufenen Legislatur war er Bundesumweltminister. Er gilt als pragmatisch, durchschlagskräftig und wortgewaltig. Trotz einer vor kurzem ausgebrochenen Krankheit will er sich - gemeinsam mit Andrea Nahles (39) als künftiger Generalsekretärin - den Delegierten als Hoffnungsträger präsentieren.

Für weitere Führungspositionen bewerben sich Hannelore Kraft (48), Vorsitzende des mitgliederstärksten Landesverbandes Nordrhein-Westfalen, wo als nächstes eine Landtagswahl ansteht (Mai 2010); der Hamburger Olaf Scholz (51), bis vor kurzem Sozialminister in der großen Koalition; Klaus Wowereit (56), als Berlins Regierender Bürgermeister Chef einer rot-roten Koalition, und Manuela Schwesig (35), Ministerin für Soziales und Gesundheit in Mecklenburg-Vorpommern.

Den 525 Delegierten liegt ein Antragsheft mit rund 400 Anträgen vor, darunter der Leitantrag des SPD-Vorstandes. Darin wird zwar auf die Erfolge insgesamt elfjähriger sozialdemokratischer Regierungsarbeit hingewiesen, gleichzeitig wird aber auch selbstkritisch vermerkt: "Unsere Politik hat auch Schwächen und Fehler gehabt... Die Anzahl der Wählerinnen und Wähler der SPD hat sich seit 1998 auf zehn Millionen halbiert.. . Für die SPD ist jedoch zentral, dass bei allen Wahlen der letzten Jahre die stärksten Einbußen bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sowie bei Arbeitslosen zu verzeichnen waren."

Die klassische Arbeiterpartei von einst sucht also nach ihrer Identität. In welche Richtung dies gehen könnte, hat Oppositionsführer Frank-Walter Steinmeier bereits durchblicken lassen, indem er die "Rente mit 67" in Frage stellt. Auch die "Agenda 2010" mit ihrem Herzstück "Hartz IV", geschaffen von Gerhard Schröder zusammen mit Müntefering und Steinmeier, steht zur Disposition. Die SPD sieht sich also vor dem Problem, schrittweise von ihrem eigenen Regierungshandeln wieder wegzukommen und der Konkurrenz von links die Stirn zu bieten.