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Gestärkt durch Krise der Koalition verspürt die SPD leichten Aufwind.
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Berlin/München.
18 Jahre lang kannte man sein Gesicht vom "Ozapfn" zur Eröffnung des Münchener Oktoberfestes. Und er fühlte sich wohl in der Rolle des mächtigen Stadtchefs. Ein Wechsel in die Landespolitik hat Oberbürgermeister Christian Ude hingegen nie interessiert, zu übermächtig schien da jahrzehntelang die CSU. Jetzt ist alles anders. "Ein apodiktisches Nein, wie ich es guten Gewissens in den zwei vergangenen Jahrzehnten aussprechen konnte, habe ich nicht ausgesprochen. Das heißt, hier besteht sehr großer Klärungsbedarf", erklärte er kürzlich. Noch im Herbst soll die bayrische SPD klären, ob sie Ude als Spitzenkandidaten für die Landtagswahlen 2013 aufstellen will.
2008 hatten zwei Drittel der Münchner für Ude gestimmt. Der heute 63-Jährige kann bei den nächsten Wahlen in München 2014 aber nicht mehr antreten, weil für Kommunalpolitiker ein Alterslimit von 65 Jahren gilt. Aber es ist wohl nicht nur die Lust an der Politik, die Ude mit einer Kandidatur spekulieren lässt. Auch die Chance auf einen politischen Wechsel ist so gut wie lange nicht. Die SPD ist jedenfalls elektrisiert von der Aussicht, mit Ude an der Spitze eine Koalition mit Grünen und Freien Wählern zu bilden und die CSU von der Macht zu verdrängen. Ein Hindernis für eine solche Konstellation könnten allerdings die Bedingungen sein, die Ude stellt - er ist ein Befürworter einer dritten Startbahn für den Münchner Flughafen, was Grüne - und bisher auch die Landes-SPD - strikt ablehnen.
Der CSU geht es jedenfalls schlecht: Ihr Koalitionspartner FDP hat laut derzeitigen Umfragen keine Chance auf den neuerlichen Einzug in den Landtag, und Chef Horst Seehofer hat deutlich an Charisma verloren. Im jüngsten ZDF-Politbarometer rangiert er nicht mehr unter den zehn wichtigsten Politikern Deutschlands - verdrängt von der Grünen-Fraktionschefin Renate Künast, die sich im September um das Amt der Bürgermeisterin von Berlin bewirbt. Deren Chancen sind gegen den SPD-Amtsinhaber Klaus Wowereit allerdings gering.
Auch sonst hat die SPD derzeit Grund zu frohlocken: Zwar wandert sie in den Umfragen nicht über die 29 Prozent (CDU 34 Prozent) hinaus, aber die Zeiten, in denen sie mit den Grünen gleichauf lagen, sind gleichwohl vorbei. Diese sind nach ihrem Höhenflug, der durch die Atomkatastrophe von Fukushima ausgelöst worden war, jüngst von 22 auf 20 Prozent zurückgefallen. Weil die FDP gleichzeitig bei unter fünf Prozent stagniert, wären die Chancen auf eine rot-grüne Koalition gut, wenn demnächst Wahlen wären.
Troika Nummer drei
Die sollen allerdings erst 2013 stattfinden. Und die SPD hat noch nicht einmal einen Kanzlerkandidaten. Oder besser gesagt hat sie deren drei. Seit es Mitte Juli einen gemeinsamen Auftritt zum Thema Euro-Krise gab, gelten SPD-Vorsitzender Sigmar Gabriel, Fraktionsvorsitzender Frank-Walter Steinmeier und der ehemalige Finanzminister Peer Steinbrück als die neue "Troika", die der CDU das Leben schwer machen soll.
In ähnlichen Konstruktionen vergangener Zeiten haben die SPD-Politiker auf Dauer eher gegeneinander agiert als gegen den politischen Gegner. Ende der 60er Jahre verhalfen zwar Willy Brandt, Herbert Wehner und Fritz Erler der SPD aus der Opposition an die Macht, dort angekommen zeigten sie sich aber zerstritten.
Das Trio Gerhard Schröder, Rudolf Scharping und Oskar Lafontaine scheiterte bei der Bundestagswahl 1994. Scharping, der Kanzlerkandidat gewesen war, wurde im Jahr darauf von Lafontaine als Parteichef gestürzt und feierte unter der rot-grünen Regierung von Gerhard Schröder noch ein kurzes Comeback als Verteidigungsminister. Als Kanzler verkrachte sich Schröder 1999 mit Lafontaine, dieser verließ die SPD und initiierte die Linkspartei.
Derartige Turbulenzen wird die Neuauflage der Troika, wie sie von deutschen Medien gerne genannt wird, wohl vermeiden wollen. Sigmar Gabriel scheint als Kanzlerkandidat ohnehin nicht mit im Rennen zu sein und eher als Moderator auftreten zu wollen. Bleiben die beiden "Stones", Steinmeier und Steinbrück.
Steinbrück am beliebtesten
Bei den Medien gilt Peer Steinbrück, Finanzminister der großen Koalition unter Angela Merkel und derzeit einfacher Bundestagsabgeordneter, als Favorit, und wohl auch bei den Wählern. Laut Politbarometer ist er mit einer Note von 1,4 derzeit Deutschlands beliebtester Politiker, Steinmeier liegt knapp dahinter. Kanzlerin Merkel folgt nach ihrem Verteidigungsminister Thomas de Maiziere und Finanzminister Wolfgang Schäuble erst an fünfter Stelle.
Manche Kommentatoren sind überrascht über Steinbrücks Popularität, gilt er doch als arrogant und sarkastisch. Zugute kommt ihm wohl, dass er über die Politik reden kann, als wäre er ein Unbeteiligter, als würde er wie ein "elder statesman" nur gute Ratschläge erteilen - wobei er allerdings gleichzeitig durchblicken lässt, dass er ein "Macher" ist, und zwar einer, der es besser könnte als die jetzige Regierung. Schließlich hat er als Finanzminister die Wirtschaftskrise von 2008 bewältigt, will er mitteilen. Neben dem 64-Jährigen bleibt der um neun Jahre jüngere Steinmeier, der schon einmal als Kanzlerkandidat gegen Merkel verloren hat, relativ blass. Seit er seiner Frau eine Niere gespendet hat, kommt er eher als der gute Kerl rüber, mit allerdings unbestrittenen Meriten als erfahrener Außenminister.
Als Pragmatiker gelten sie beide. Steinmeier hat an Schröders "Agenda 2010", die vermutlich der SPD den Wahlsieg 2005 gekostet hat, persönlich mitgewirkt, er verteidigt sie ebenso wie Steinbrück bis heute. Bei den Linken in der Partei kommt das naturgemäß nicht gut an, ebenso wenig wie bei den Grünen, die an Steinbrück überdies unliebsame Erinnerungen haben. Als Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen bildete er mit ihnen eine Koalition, die 2005 die Landtagswahl verlor.
Bleibt Steinbrück allerdings in den Umfragen vorn, könnte sich die Parteilinke zähneknirschend auf ihn als Kanzlerkadidaten einlassen - der interne Hader folgt dann erst nach der Wahl.