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Düsseldorf - Wenn an Rhein und Ruhr gewählt wird, ist dies immer eine Testwahl mit Bedeutung für ganz Deutschland. Schließlich ist Nordrhein-Westfalen das bevölkerungsreichste Bundesland. Doch Bundeskanzler und SPD-Chef Gerhard Schröder sowie seine rot-grüne Regierung in Berlin können der Landtagswahl am Sonntag gelassen entgegensehen. Am Sieg der Sozialdemokraten wird nicht gezweifelt. Getrübt werden könnte die Freude nur durch eine neue Schwäche der in Berlin und Düsseldorf mitregierenden Grünen. Sie liegen nach den letzten Umfragen bei rund 7 Prozent.
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Noch im vergangenen Herbst war das ganz anders. Da mussten Schröder und seine Sozialdemokraten nach einer Serie klarer Regionalwahlniederlagen eine weitere schwere Wahlpleite an Rhein und Ruhr befürchten. Die nordrhein-westfälischen Kommunalwahlen waren zu einem Desaster geworden und hatten die SPD das Fürchten gelehrt. Scheinbar uneinnehmbare Rathäuser waren an die CDU gefallen.
Die Christdemokraten rechneten sich bereits Chancen aus, nach fast 34 Jahren Opposition die rot-grüne Regionalregierung in Nordrhein-Westfalen stürzen zu können. Die Hilfe der Freidemokraten (FDP) wurde dabei einkalkuliert, obwohl die sich nicht klar festgelegt haben.
Doch dann kam der Spenden- und Finanzskandal der CDU. Die Partei geriet in die tiefste Krise ihrer Geschichte. Die Wähler liefen ihr in Scharen davon. Die erste Quittung bekamen die Christdemokraten im Februar in Schleswig-Holstein. Rot-Grün gewann die Regionalwahl, die die Koalition zeitenweise schon verloren geglaubt hatte.
Schröder kann Erfolge geltend machen: Zwar reiften (noch) nicht alle Träume der rot-grünen Regierung in Berlin. Doch die Stabilisierung der Finanzen und die Einleitung einer Steuerreform sind Pluspunkte. Vor allem aber hat sich die SPD nach dem abrupten Ausscheiden ihres Spitzenmannes Oskar Lafontaines geschlossen hinter ihren neuen Parteichef Gerhard Schröder gestellt.
In Nordrhein-Westfalen werden nun mehr als 13 Millionen Wähler zeigen, wie sich die Gunst verteilt. Nach jüngsten Umfragen liegt die SPD bis zu zehn Prozentpunkte vor der CDU. Die Christdemokraten haben zwar nach der Wahl Angela Merkels zur neuen Parteichefin im April landesweit neue Sympathien gefunden, für den erhofften Erfolg in Düsseldorf genügt dies aber offensichtlich nicht.
Die Christdemokraten hatten den Angriff auf die SPD-Bastion Nordrhein-Westfalen versucht - zunächst mit dem Anprangern des "roten Filzes", belegt durch eine Flugaffäre der Regionalregierung. In mehr als 100 Fällen waren Regierungsmitglieder auf Kosten der nordrhein-westfälischen Landesbank WestLB geflogen.
Finanzminister Heinz Schleußer stürzte über die Affäre, weil er die Mitnahme seiner Freundin in den Bank-Jets verschwiegen hatte. Mit in die Schusslinie geriet der deutsche Bundespräsident Johannes Rau, der vor zwei Jahren als Regierungschef in Düsseldorf ausgeschieden war und die Macht an seinen "Kronprinzen" Wolfgang Clement übergeben hatte. Doch die CDU konnte angebliche Privatflüge Raus nicht belegen.
Schließlich setzte CDU-Spitzenkandidat Jürgen Rüttgers, einst Zukunftsminister in der Mitte-Rechts-Regierung von Helmut Kohl, auf Ressentiments gegen Ausländer und startete mit der Parole "Kinder statt Inder" eine Kampagne gegen die Anwerbung von Computerexperten aus Nicht-EU-Staaten. Nach Protesten selbst in den eigenen Reihen schwächte er den Slogan zu "Ausbildung statt Einwanderung" ab.
Für Schröder soll der Sieg bei der Testwahl der Startschuss zur eigentlichen Herausforderung sein - der Bundestagswahl 2002.