"Opposition ist Mist", befand SPD-Chef Franz Müntefering im deutschen Wahlkampf. Am Sonntag schickten aber die Wähler seine Partei just dorthin. SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier verzichtete auf die übliche Verbalakrobatik, um die schwerste SPD-Niederlage seit Kriegsende weichzuzeichnen. Oberösterreichs SPÖ-Chef Erich Haider gestand nach der Wahlschlappe am Sonntag eine "sehr, sehr schwere Niederlage" ein. Kanzler Werner Faymann befand trotz fünf SPÖ-Schlappen in Serie mannhaft: "Die Richtung stimmt."
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Das genügt als Vergleich zwischen zwei Wahlen von höchst ungleicher Bedeutung, zumal die SPD nun zwischen Skylla und Charybdis lavieren muss. Denn sie kann weder die sozialpopulistische Radikal-Opposition der Linkspartei überbieten, noch das Grummeln ihres linken Flügels mit dem Appell zu innerparteilicher Einheit niederbügeln. Unausweichlich ist allerdings, was die Linke der SPD mit höhnischem Unterton riet: "Resozialdemokratisierung." Das hieße allerdings politische Annäherung an Linke-Chef Oskar Lafontaine, den Gottseibeiuns der SPD.
Lanfontaine war SPD-Chef (1995 bis 1999) und Finanzminister (1998). Er war aber 1999 beide Ämter hin, profilierte sich als gnadenloser Kritiker der SPD und stieg 2007 zum Parteichef der Linken auf - für die SPD und zumal ihre alte Garde ein glatter Verrat.
Am Sonntag landete die SPD im Rekordtief von 23 Prozent - minus ein Drittel gegenüber 2005. Auffallend ist die Desertion nur ganz weniger ehemaliger SPD-Wähler zur Linken, aber von zwei Millionen ins Nichtwählerlager und 1,2 Millionen zur FDP. Hauptursachen: die Niedriglohn-Politik und die Erhöhung des Pensionsalters von 65 auf 67 Jahre. Nicht nur die Linke verdonnerte diese "Entsozialdemokratisierung" als Todsünde gegen jede Gerechtigkeit.
Die Wahlen zerrissen die große Koalition und hinterließen zwei Blöcke: eine bürgerliche Regierung und eine starke Linksopposition. Ein gravierender Unterschied zu Österreich sticht ins Auge. Bei uns betreibt eine wachsende, populistische Rechte massiv Opposition, in Deutschland spielen diese Rolle drei Linksparteien, da profilierte Rechtsaußen fehlen. Nur die Rechtsfranse NPD wütet gegen Ausländer.
Kanzlerin Angela Merkel verzichtete zurecht auf Siegeseuphorie. Mit Steinmeier, Müntefering und Co. als gestutzten Juniorpartnern ließe sich nämlich angenehmer regieren als mit dem großen Wahlgewinner Guido Westerwelle und dem arg gebeutelten CSU-Chef Horst Seehofer. Das Trio will - gegen den Linksblock - die Steuerschraube lockern, um Arbeitsplätze zu schaffen, die Kaufkraft zu steigern und auf diesem Umweg mehr Steuern zu kassieren. Das verheißt Ungemach. Nach diesem Rezept handelte US-Präsident Ronald Reagan, der seinem Nachfolger Bill Clinton 1988 ein um 170 Prozent vergrößertes Budgetloch hinterließ.
Die Regierung Merkel II verspricht also Dramatik.
Clemens M. Hutter war bis 1995 Ressortchef Ausland bei den "Salzburger Nachrichten".