Die "Wiener Zeitung" veröffentlicht anlässlich des "Right to Know Days" exklusiv die Spesenbeträge der Abgeordneten zum Nationalrat.
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In anderen Ländern sind öffentliche Spesenabrechnungen von Abgeordneten kein Problem. In Schweden reichen wenige Telefonate, um an die Zahlen zu kommen - sogar als Tourist. Und Großbritannien geht sogar noch einen Schritt weiter: Nach einem Spesen-Skandal 2009 sind alle eingereichten Spesen öffentlich einsehbar. Damit ist nicht nur die Höhe der Ausgaben gemeint, man sieht sogar, wofür das Geld verwendet worden ist.
In Österreich schaut die Sache anders aus. Das Verhältnis zu Transparenz ist hier viel angespannter. Deshalb wundert es auch nicht, dass diese Geschichte seit knapp zehn Jahren im Entstehen ist: Seit 2013 sind unterschiedliche Personen verschiedener Medien auf der Suche nach Informationen. NGOs wurden gegründet, damit es jemanden gibt, der die Fragen auch dann noch stellt, wenn die Journalisten das Interesse daran verloren haben. Es benötigte eine Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs, ein Umdenken des Parlaments, eine mehrmonatige Anfragenserie, und dann mussten Beamtinnen und Beamte der Parlamentsdirektion für jeden Abgeordneten und jede Abgeordnete eigene Berechnungen anstellen.
Aber schlussendlich ist es jetzt so weit: Anlässlich des diesjährigen "Right to Know Days" am 28. September, dem internationalen Informationsfreiheitstag, kann die "Wiener Zeitung" die Spesenbeträge der Nationalratsabgeordneten zum ersten Mal veröffentlichen. Sie liegt dieser Zeitung nach monatelangen Bemühungen in Kooperation mit dem Demokratiemagazin "ResPublica" exklusiv vor.
Gespendete Bierfässer und Lokalrunden
Alle Abgeordneten zum Nationalrat und zum Bundesrat haben die Möglichkeit, sich vom Parlament Kosten zurückzuholen, die ihnen während der Ausübung ihres Amtes angefallen sind. Nicht anders als in der Privatwirtschaft. Die Daten zeigen vor allem, wie teuer es sein kann, im Nationalrat zu sitzen. Das bestätigen Abgeordnete auch öffentlich und hinter vorgehaltener Hand. Die abrechenbaren Kosten sind klar abgegrenzt, gesetzlich geregelt und nach oben hin gedeckelt. Seit der Novelle aus dem Jahr 1997 gibt es auch keine pauschalierten Spesenobergrenzen mehr. Bis dahin lagen sie bei 25 Prozent des Monatsgehalts und brachten den Abgeordneten deutlich mehr. Seither werden nur noch tatsächlich anfallende Ersatzzahlungen geleistet. Parlamentarier müssen ihre Ausgaben belegen können, die dann von der Parlamentsdirektion geprüft und erst dann ausbezahlt werden. Von einem Selbstbedienungsladen weit und breit keine Spur. Das ist auch der Parlamentsdirektion und den Abgeordneten, mit denen im Zuge der Recherche gesprochen wurde, wichtig zu betonen.
Die Parlamentsdirektion überprüft jede Rechnung auf ihre Zulässigkeit, den zuständigen Beamtinnen ist klar, dass sie mit Steuergeld hantieren. Das wissen aber auch die Abgeordneten. Es soll schon vorgekommen sein, dass Abgeordnete umgezogen sind und auf eine Erhöhung ihrer zugelassenen Spesenobergrenze verzichtet haben, um nicht in den Verruf zu kommen, sich hier bereichern zu wollen. Berechnungen der "Wiener Zeitung" deuten darauf hin, dass die Abgeordneten durchschnittlich weniger abrechnen, als sie eigentlich dürften.
Laut dem Bundesbezügegesetz steht den Abgeordneten ein Kostenersatz "für alle Aufwendungen, die ihnen durch die Ausübung des Mandates entstehen" zu. Dazu gehören Fahrtkosten, Aufenthaltskosten und Bürokosten genauso wie Kosten für Öffentlichkeitsarbeit (auch Inserate). Und in seltenen Fällen Mieten für Büros im Wahlkreis. Oder, wie die Grünen-Abgeordnete Sibylle Hamann mit Verweis auf die Kostenersatzliste 2019 auf Facebook scherzhaft geschrieben hat: "Braucht wer einen Pokal?" Zu den Repräsentationskosten zählen nämlich auch Pokale, Blumen, Geschenkkörbe, Bücher, Sportlerdressen, Matchbälle, Sachspenden für Tombolas und Billets für Geburtstage. Was allerdings nicht ersetzt wird, sind Bewirtungskosten. "Gott sei Dank", sagt das Parlament mit Blick auf die schiere Masse an Belegen, die dadurch plötzlich zu bearbeiten wäre. Wer eine Runde ausgibt, zahlt das also privat.
Anfahrtszeit der springende Punkt bei Höhe des Limits
"Der Klassiker sind die Fahrt- und Aufenthaltskosten, die Kosten für die Öffentlichkeitsarbeit wie Social-Media-Auftritt und Zeitungsinserate", sagt die Parlamentsdirektion. Das berühmte Bierfassl, das Abgeordnete beim Dorffest in ihrem Wahlkreis spenden, wird ebenso rückerstattet wie Kosten für Telefon, Internet und Fachliteratur. Auch Hotelkosten oder die Miete einer Zweitwohnung in Wien, die manche Mandatare haben, können ersetzt werden.
Der maximale Sockelbetrag wird laut Gesetz kompliziert berechnet, "höchstens bis zu 12 Prozent von 98,96 Prozent des monatlichen Gehalts eines Bundesbeamten des Allgemeinen Verwaltungsdienstes, Verwendungsgruppe A1, Gehaltsstufe 13".
Die 12 Prozent der Berechnungsgrundlage ergeben 7.249,80 Euro pro Jahr. Das macht die Obergrenze für alle aus, die weniger als eine Stunde Anreise zum Parlament haben. Die Mandatarinnen und Mandatare bekommen auch Kilometergeld. Dafür müssen sie genau Fahrtenbuch führen, für jeden Kilometer bekommen sie 42 Cent.
Für jede weitere angefangene halbe Stunde Anreise sind das jährlich weitere 3.624,96 Euro. Die Parlamentsdirektion berechnet dafür die schnellstmögliche Anreise. "Das ist so gut wie immer der Hauptwohnsitz, könnte aber auch der Wahlkreis sein", so das Parlament zur "Wiener Zeitung".
Die oberösterreichische Neos-Abgeordnete Karin Doppelbauer hat 2021 nur deshalb doppelt so viele Ausgaben retourniert bekommen wie 2020, weil sie nach Oberösterreich gezogen ist. Sie muss jetzt zwischen dem Parlament und ihrem Bauernhof pendeln.
Meistens wird die Anreise mit dem Auto herangezogen, aber auch Zugverbindungen und selbst Inlandsflüge sind bei Mandataren aus Kärnten, Tirol und Vorarlberg möglich. "Bei den Bundesländern Vorarlberg, Kärnten, Tirol ziehen wir eigentlich immer das Flugzeug als zeitlich günstigstes Verkehrsmittel heran", heißt es vonseiten der Parlamentsdirektion.
Ob das in der Klimakrise noch zeitgemäß ist? "Wenn ein Abgeordneter mindestens sechs Fahrten mit der Bahn fährt, wird ihm die Bahnjahreskarte oder das Klimaticket vergütet", so die Parlamentsdirektion. Dafür wurde 2019 das Gesetz geändert, was sich spätestens seit Beginn der Corona-Krise ausgezahlt hat. Damals wurden die meisten Flüge gestrichen.
Auch andere Dinge wirken sich auf die Spesenhöhe aus:
Für Abgeordnete mit einer Behinderung erhöht sich der Sockelbetrag je nach Schwere der Beeinträchtigung um 6.041 bis 24.166 Euro jährlich.
Anreisen zu U-Ausschüssen werden zusätzlich abgegolten, wenn die Mandatare extra dafür nach Wien kommen müssen. "Wir schauen auf jeden Fall, ob das mit anderen parlamentarischen Terminen zusammenfällt, das könnte ja übersehen worden sein", erklärt die Parlamentsdirektion. "Wir sind da sehr, sehr streng." Das ist zum Beispiel der Grund, weshalb der ÖVP-Fraktionsführer Andreas Hanger die meisten Spesen in Niederösterreich hat. "Durch meine Tätigkeit im Untersuchungsausschuss und andere Aufgaben bin ich auch abseits der Plenarwochen jede Woche in Wien", sagt Hanger zur "Wiener Zeitung" und hält fest, dass "die tatsächlichen Kosten für die Ausübung des Mandats bei weitem nicht abgedeckt werden können".
Bei Abgeordneten, die gleichzeitig Mitglieder der österreichischen Delegation zum Europarat sind, verdoppelt sich der ursprüngliche Sockelbetrag auf 14.499,60 Euro. Deshalb stechen in Wien Petra Bayr (SPÖ) und Martin Graf (FPÖ) heraus: Graf ist Teil der Delegation zum Europarat, Bayr Ersatzmitglied. "Ich bin im Jahr vier Wochen in Straßburg, dazu kommen mindestens zwei Tage pro Monat in anderen europäischen Hauptstädten, meistens Paris", erklärt Graf. Bayr erklärt auf Anfrage, dass sie Kosten, die ihr aufgrund ihrer Europarat-Tätigkeit entstanden sind, nicht eingereicht habe. Da die Spesen nicht an die Arbeit im Europarat gebunden sind, kann sie es auch für ihre nationale Tätigkeit verwenden. "Ich freue mich natürlich, wenn ich mit dem Budget das eine oder andere Inserat zusätzlich schalten kann", sagt Bayr. An dieser Regelung liegt es auch, dass der Salzburger Franz-Leonhart Eßl den höchsten Spesenbetrag aller Mandatare hat.
Von fehlenden Fahrtenbüchern und tausenden Belegen
Abgerechnet kann bis zum März des Folgejahres werden. Wer die Frist verpasst, hat Pech gehabt. So passiert Josef Hechenberger. Der ÖVP-Abgeordnete aus Tirol hat die Frist übersehen und seine Kilometer zu spät eingereicht. 2020 bekam er nur halb so viel wie 2021 rückerstattet.
In Tirol sticht auch eine andere Abgeordnete heraus: die Innsbruckerin Julia Seidl (Neos). Sie hat 2021 nur 5.095 Euro verrechnet, die anderen Tiroler Mandatare zwischen 12.000 und 34.000 Euro. Die Erklärung dafür findet sich wiederum in Salzburg. Dort verkündete Josef Schellhorn am 24. Juni, dass er aus dem Nationalrat ausscheiden wird. Mit August folgte ihm Seidl, sie hatte also nur fünf Monate Abrechnungszeitraum zur Verfügung. Ähnlich ging es auch Katharina Werner (Neos), die auf Felix Eypeltauer folgte. Sie konnte 2021 nur zwei Monate abrechnen.
Die Abwicklung der Rückerstattungen ist für das Parlament arbeitsintensiv, weil jeder einzelne Beleg geprüft werden muss. Das sind tausende Belege pro Jahr. Aber: "Wir haben 25 Jahre Erfahrung, die zeigen, dass das Gesetz aus verwaltungstechnischer Sicht betrachtet ein realisierbares Gesetz ist", sagt die Parlamentsdirektion. Die Mandatare würden auch gar nicht probieren, Dinge rückerstattet zu bekommen, auf die sie kein Anrecht haben. Es werde angefragt, wenn unklar ist, ob etwas rückerstattet wird. Die Parlamentsdirektion hat neben der kontrollierenden also auch eine beratende Rolle.
Der nächste Schritt in Sachen Transparenz wäre zu veröffentlichen, wofür das Geld ausgegeben wird. So wie in Großbritannien: Der frühere britische Premier Boris Johnson hat 2020 etwa 13 Pfund für Postmarken ausgegeben.
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Zur Berechnung der durchschnittlich ausbezahlten Spesen konnten nur Abgeordnete herangezogen werden, die Spesen abgerechnet haben.