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Die Sphinx hat gesprochen - der Nebel bleibt

Von Walter Hämmerle

Politik

Es war die erste große politische Rede Werner Faymanns, des großen Unbekannten an der Spitze der größten Partei Österreichs. Denn wofür der frisch - und eindrucksvoll - gewählte neue Vorsitzende der SPÖ inhaltlich steht, weiß kaum einer so genau zu sagen. Sogar viele SPÖ-Funktionäre außerhalb der Bundeshauptstadt, in der Faymann Zeit seines Lebens politisch vor seinem Aufstieg zum Minister aktiv war, wissen über ihren neuen Chef nicht wirklich Bescheid. So war es am Freitag zu einem Gutteil auch die Neugier auf den Unbekannten, die viele ins Linzer Designcenter führte.


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Und haben sich die Nebel über der Person Faymann gelüftet? Nicht wirklich. Allerdings kann nun mit einiger Sicherheit gesagt werden, dass dem Neuen an der Spitze tatsächlich jedes Talent zum Pathos fehlt. So trocken, pragmatisch und technokratisch Faymann wirkt, so scheint er auch tatsächlich zu sein: In 37 Minuten wollte er unbedingt jeden Politikbereich mit zwei Sätzen streifen, in die Tiefe zu gehen, war da natürlich nicht möglich. Schon gar nicht wurde dadurch der politische Mensch Werner Faymann zum Leben erweckt. Auch der Inszenierung des Parteitags fehlte jeglicher Schnickschnack früherer Zeiten. Zwei dürre Showacts - einmal Percussion mit Didgeridoo, einmal weichgespülter Wohlfühl-Reggae -, dazu ein Arbeiterchor, der Arbeiterlieder zum Besten gab.

Zu wenig Herzschmerz

So gesehen präsentierte er sich durchaus authentisch den SPÖ-Delegierten, auch wenn sich diese wohl etwas mehr sozialdemokratischen Herzschmerz gewünscht haben dürften. Dieses Schicksal teilen sie mit der schwarzen Basis, die ebenfalls an der Nüchternheit Wilhelm Molterers zu verzweifeln droht.

Obwohl Faymann keine große und schon gar keine mitreißende Rede gehalten hat, waren die Funktionäre weitgehend zufrieden. Kein Wunder: Der neue Vorsitzende gab seiner Partei zurück, was ihr unter Gusenbauer abhanden gekommen war. Zuallererst ist da die Hoffnung auf einen Sieg am 28. September. Aber auch Handfesteres, etwa die Rückkehr der Gewerkschafter in die rote Familie. Dass Faymann den ÖGB-kritischen Kurs des Noch-Kanzlers rückgängig gemacht hat, stößt bei der Basis auf größte Zustimmung. Es schien, als wäre tatsächlich ein lebenswichtiger Körperteil der Partei amputiert gewesen. Ob der ÖGB für die SPÖ wirklich lebenswichtig ist, wird sich wohl nicht so schnell überprüfen lassen. Derzeit jedoch scheinen alle Erinnerungen an die Probleme der 90er Jahre mit einer versteinerten Gewerkschaft vergessen zu sein.

Am Freitag überwog also die Sehnsucht nach Geschlossenheit die da und dort bestehenden Zweifel. Auch der Wunsch nach einem rhetorischen Feuerwerk wurde verdrängt. Man weiß, dass der beginnende Wahlkampf keinen Raum mehr für interne Auseinandersetzungen lässt. Von diesem Wissen zeugen auch die diversen Wahlergebnisse: Fast allesamt lagen sie um 95 Prozent oder sogar darüber.

analyse@wienerzeitung.at