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Der deutschen Wirtschaft entstehen durch Spionage jährlich Schäden in Höhe von 50 Milliarden Euro, sagt der deutsche Innenminister. Umgerechnet auf Österreich würde das fünf Milliarden bedeuten. China und Russland werden genannt als besonders interessiert an deutschem Know-how. Die US-Späher der NSA kommen nicht vor.
Das ist verständlich, weil die USA und Deutschland eng verflochten sind. Inhaltlich ist es Unsinn. Besonders interessant für die NSA ist nämlich - so der Enthüller Snowden - die Region um Stuttgart. Von Terrorzellen dort ist wenig bekannt, aber dafür gibt es den Automobil- und Rüstungskonzern Daimler. Ähnlich das Verhalten der NSA bei der EU: Deren US-Büros werden abgehört, die Zentrale in Brüssel wohl auch. Auch von hier geht keine Gefahr für die Sicherheit der USA aus, dafür gibt es dort interessante Wirtschaftsinformationen en masse.
Dass die USA diese Informationen brachliegen lassen, ist so wahrscheinlich wie der berühmte Hund, der die Wurst nicht frisst. Nun mag es einleuchtend klingen, wenn die USA auch in Europa Terrorverdächtige ausfindig machen wollen (die 9/11-Anschläge wurden zum Teil in Hamburg vorbereitet). Es mag auch, allen Datenschutzbedenken zum Trotz, verständlich sein, wenn die EU-Regierungen auf die NSA-Enthüllungen spärlich reagieren, weil ihre Nachrichtendienste auch davon profitieren.
Aber wenn die USA in Europa skrupellos Industriespionage betreiben, muss dem deutschen Kanzlerkandidaten Steinbrück recht gegeben werden, der ein Aussetzen der EU-USA-Freihandelsgespräche in Aussicht stellt. Wenn die USA alles wissen, die EU-Verhandler aber nichts, kann ein solches Abkommen wohl nur zum Wohl der USA ausgehen. Und die USA müssen sich die Frage gefallen lassen, wie ernsthaft sie den Begriff Freundschaft definieren. Sicherheitsbedrohungen sind ernst zu nehmen, und wenn die NSA etwa illegalen Plutoniumhandel unterbindet, so ist dieser Nutzen wohl größer als die rechtliche Fragwürdigkeit des Tuns.
Aber Spionage als wirtschaftliches Wettbewerbs-Instrument einzusetzen, muss Konsequenzen haben. Die Reaktionen dazu aus Brüssel lassen das Gegenteil vermuten - und sind ein trauriger Beweis, dass die EU gar nicht daran denkt, ein "global player" zu werden. Gut für die USA, schlecht für die europäischen Bürger.