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Die Oppositionsrolle der SPÖ nach 30-jähriger Regierungstätigkeit wird derzeit von einer Obmanndebatte überschattet. Tatsächlich arbeitet die Bundespartei aber hinter den Kulissen eifrig an Strukturreformen, um für den Herbst gerüstet zu sein.
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Die SPÖ müsse kantiger werden und an Tempo zulegen - solche und ähnliche Wortmeldungen häufen sich in den vergangenen Tagen. Dass in einer Partei "nicht einer, sondern viele nachdenken", wird nach außen hin zwar als positiv bewertet. "Wir brauchen eine lebendige Diskussion, die muss aber auch solidarisch sein", findet der ehemalige Innenminister und nunmehrige SPÖ-Sicherheitssprecher Karl Schlögl. Als nö. SP-Chef gibt sich auch Schlögl - so wie der Wiener SP-Chef Michael Häupl - loyal zu Parteichef Alfred Gusenbauer. Es tue ihm nicht leid, so Schlögl zur "Wiener Zeitung", dass er nicht SPÖ-Bundeschef geworden sei. "Der Krug ist an mir vorübergegangen, und ich werde ihn nicht zurückholen." Im übrigen leiste Gusenbauer hervorragende Arbeit und werde "noch sehr lange" SPÖ-Chef sein.
Losgetreten wurde die jüngste Debatte vom steirischen SP-Gesundheitslandesrat Günter Dörflinger. Er meinte - währrend Gusenbauer auf Urlaub weilte -, dieser werde bei der nächsten Nationalratswahl nicht automatisch Spitzenkandidat sein. Dazu kommen Umfragewerte, die der SPÖ ein nicht gerade rosiges Bild bescheinigen. Die Partei liegt, je nach Meinungsforschungsinstitut, knapp vor oder hinter der ÖVP, in der "Kanzlerfrage" rutschte Gusenbauer aber bereits hinter Grünen-Bundessprecher Alexander Van der Bellen. Für den SPÖ-Vorsitzenden selbst ist die Frage nach dem nächsten Kanzlerkandidaten eine "Sommerloch"-Diskussion. Ihm geht es vielmehr darum, die Partei für die politische Auseinandersetzung im Herbst zu rüsten.
Am 2. und 3. Oktober wird die SPÖ in Steyr (OÖ) eine Klubklausur abhalten. Danach will sie ihre Konzepte präsentieren. Die inhaltliche Positionierung brauche eben Engagement und Zeit, so der geschäftsführende SP-Klubobmann Peter Kostelka. Auch zwischen 1966 und 1970 sei nicht alles von einem Tag auf den anderen gegegangen. Gusenbauer habe die Sozialdemokratem in einem inhaltlichen Zustand "als Waschmittelpartei" übernommen, der der "Ober-Ideologe" und seinerzeitige Bundesgeschäftsführer Andreas Rudas "den letzten Schliff" gegeben habe, ätzt ein Funktionär. Die Partei habe daher noch einen "Selbstreinigungsprozess" vor sich. Einen ersten Schritt in diese Richtung wollte Gusenbauer offenbar mit seiner Erklärung zu den "braunen Flecken" (Stichwort Gross) in der Partei setzen. Die Aktion stieß - obwohl in großen Teilen der Öffentlichkeit goutiert - innerhalb der SPÖ zum Teil auf heftigen Widerstand, weil in Gusenbauers Erklärung der langjährige SPÖ-Kanzler Bruno Kreisky kritisiert wurde. Die Auseinandersetzung dürfte mit den vom Präsidium beschlossenen 13 Arbeitsgruppen prolongiert werden. Davon befassen sich zwölf "mit der Zukunft" und eine mit der Vergangenheit: Die Aufarbeitung der österreichischen Nachkriegsgeschichte in einer der Arbeitsgruppen soll an Gusenbauers Erklärung zu den "braunen Flecken" anknüpfen. Themen der anderen Gruppen sind u.a. eine leistungsfähige Wirtschaft und New Economy, soziale Gerechtigkeit, Europaorientierung. Das angekündigte "Schattenkabinett" zur VP-FP-Regierung soll es laut Schlögl erst ein halbes Jahr vor der nächsten Wahl geben.
Einen schweren Stand hat die Partei nicht zuletzt durch die finanzielle Situation. 300 Millionen Schilling Schulden erlauben keine großen Kampagnen. Der Parteiapparat wird daher "verländert", indem etwa die hauptamtlichen Bezirksparteisekretäre künftig von den Landesparteien bezahlt werden. Eine zentralistische Steuerung der Länderorganisationen wird damit noch schwieriger.