Benita Ferrero-Waldner gegen Wilhelm Molterer. Auf diese beiden Namen reduziert sich derzeit die Debatte um den nächsten EU-Kommissar aus Österreich. Beides Namen, die innerhalb der Volkspartei gar nicht so unumstritten sind. Tatsächlich steckt wohl hinter der Favorisierung der derzeitigen EU-Außenkommissarin Ferrero-Waldner durch die SPÖ weniger die Bemühung um die möglichst beste Person für diese Funktion als eine politische Abgrenzung gegenüber dem Koalitionspartner.
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Eigentlich war - nachdem die SPÖ der ÖVP die Entscheidungshoheit über den EU-Kommissar bereits zu Jahresbeginn überlassen hatte - ein reibungsloser Ablauf der Nominierung erwartet worden. Nun kam es aber, dass die SPÖ heuer bereits bei vier Wahlen ganz massiv verloren hat: Zehn Prozentpunkte lautete das Minus bei der Landtagswahl in Kärnten, Verlust von drei Mandaten bei der EU-Wahl, minus sieben Prozentpunkte in Vorarlberg, minus 13 Prozentpunkte in Oberösterreich.
Als Gegenkonzept hat Parteichef Bundeskanzler Werner Faymann die Schärfung des Profils ausgerufen, womit auch das Ende des Kuschelkurses eingeläutet war. Da kam dem Kanzler gerade recht, dass sich die ÖVP in jüngster Zeit auch wieder stärker auf ihr Klientel der Besserverdienenden zu konzentrieren beginnt: Das vorzeitige Aus der Hacklerregelung und ein Transferkonto hat Vizekanzler Josef Pröll in seiner Rede "Projekt Österreich" ausgerufen und damit eine regierungsinterne Front eröffnet. "Nicht mit uns", lautete denn auch die Antwort.
Aber Faymann beließ es nicht bei der klaren Abgrenzung in der Sozialpolitik. Er nahm sich ein neues Feld vor, eigentlich eines, wo auf den ersten Blick nichts zu gewinnen ist. Denn es ist kaum anzunehmen, dass sich die ÖVP davon überzeugen lässt, Ferrero-Waldner für den prestigeträchtigen Job in Brüssel zu nominieren. Schließlich hat sich die Diplomatin, die 2004 noch im Bundespräsidentenwahlkampf für die Volkspartei die Kohlen aus dem Feuer holen sollte, in Brüssel von der ÖVP emanzipiert. Klubobmann Karlheinz Kopf hat sie zuletzt zwar als "ausgewiesene Außenpolitikerin" bezeichnet, allerdings gleichzeitig darauf hingewiesen, dass es ihr jetziges Ressort in dieser Form in der künftigen Kommission nicht mehr geben werde (wenn der Vertrag von Lissabon in Kraft tritt, gibt es keinen Außenkommissar mehr).
Auch Molterer sitzt nicht so fest im Sattel, wie es scheint. Er kann zwar auf seine langjährige Parteiarbeit - Ex-Landwirtschaftsminister, Ex-Klubobmann, Ex-Finanzminister, Ex-Vizekanzler, Ex-Parteiobmann - verweisen. Ob er allerdings noch über den nötigen Rückhalt in der ÖVP verfügt, darf bezweifelt werden. Schließlich ist die ehemalige Schüssel-Mannschaft politisch marginalisiert. Pröll selbst hat sich noch nicht festgelegt. Er verweist immer wieder darauf, dass es auch noch einen Überraschungskandidaten geben könnte.
Faymanns Kalkül, mit dieser Debatte Profil zu gewinnen, kann also durchaus aufgehen: Er setzt sich für eine Frau ein, die noch dazu in den Beliebtheitswerten klar vor Molterer liegt. Sollte die Wahl schließlich auf jemand ganz anderen fallen, kann der Kanzler immer noch damit reüssieren, Molterer verhindert zu haben.
Aber am Ende des Entscheidungsprozesses muss ein gemeinsamer Beschluss im Ministerrat stehen. Es ist zu erwarten, dass die Präsentation der Nominierung sehr amikal erfolgen wird. Damit werden auch die Koalitionswogen vorerst wieder geglättet sein. Ein neues Streitthema wird sich dann schon finden.