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Karl will SPÖ von Zulassungsverfahren für Massenstudien überzeugen. | Ministerin hofft auf Verlängerung des EU-Moratoriums zur Mediziner-Quote. | "Wiener Zeitung": Wie ist Ihre Bilanz nach den ersten drei Monaten als Wissenschaftsministerin? | Beatrix Karl: Es war bisher eine sehr spannende und herausfordernde Zeit. Ich bin dennoch froh, dass ich diese Aufgabe angenommen habe, weil mir die Hochschulen sehr am Herzen liegen. Natürlich kann nicht alles in den ersten drei Monaten passieren, aber ich glaube, dass ich einiges weiterbringen kann.
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Ab 2011 will die ÖVP 100 Millionen Euro jährlich mehr für den tertiären Sektor ausgeben. Wohin geht das Geld?
Einerseits will ich die Exzellenz in der Grundlagenforschung mit eigenen Exzellenzclustern stärken. Auch werde ich Maßnahmen setzen, um den Wissenstransfer von der Wissenschaft und Forschung in die Wirtschaft zu forcieren. Drittens sollen zusätzliche Fachhochschul-Studienplätze in jenen Bereichen, die in der Wirtschaft am meisten nachgefragt werden, geschaffen werden. Ziel ist es, neue zukunftsträchtige Arbeitsplätze zu schaffen.
Die Lehre an den Unis, die momentan in der Krise ist, wird aber nicht bedacht.
In jene Bereiche, wo es durch die Zunahme an Studierenden zu Problemen gekommen ist, wurden bereits 34 Millionen Euro gesteckt. Zusätzlich habe ich ein 34-Millionen-Euro-Paket für die Verbesserung der Forschungsinfrastruktur an die Unis verteilt. Diese Bereiche kommen also nicht zu kurz. Man darf nicht vergessen, dass Investitionen in die Forschung für die Lehre an der Uni wichtig sind. In den Massenstudien ist das große Problem, dass der Fokus sehr stark auf der Lehre liegt, die Forschung aber zu kurz kommt. Das bedeutet einen starken Qualitätsverlust.
Apropos Massenstudien: Wie wollen Sie die SPÖ von Studienplatzbeschränkungen in Publizistik, Architektur und Wirtschaft überzeugen?
Ich hoffe, dass die SPÖ nicht länger die Augen vor den Problemen in den Massenstudien verschließt. Die SPÖ misst mit zweierlei Maß: Sie ist für Zugangsregelungen bei Publizistik und Lehrerausbildung, aber wir haben derartige Probleme auch an der WU. Ich wünsche mir, dass die SPÖ auch dort bereit ist, für Lösungen einzutreten.
Sie wollen den Notfalls paragrafen überdenken. Wie kann man dann der Platzmisere in vielen Studien beikommen?
Der Notfallsparagraf war eine reine Kompromisslösung und enthält viele Voraussetzungen, die nicht praktikabel sind. Ich will mich mit dem Koalitionspartner auf eine praktikable Regelung einigen.
Wie könnte diese aussehen?
Die Probleme in den Massenstudien treten ja nicht nur dort auf, wo es einen starken Zustrom ausländischer Studenten gibt. Man könnte darüber nachdenken, in der Studieneingangs- und Orientierungsphase - also im ersten oder zweiten Semester - Zulassungsverfahren abzuhalten.
Das würde mit Platzbeschränkungen einhergehen.
Ja, aber es geht immer nur um die Massenstudien. Neben den Zugangsverfahren müssen wir auch mehr Informationen für die Studienentscheidung anbieten.
Für Dienstag wird das Urteil des EuGH zur belgischen Quotenregelung erwartet. Sollte diese gekippt werden, was wahrscheinlich ist: Was heißt das für die österreichische Mediziner-Quote?
Das kann man noch überhaupt nicht sagen. Ich habe Bildungskommissarin Androulla Vassiliou dargelegt, dass wir die Medizin-Quotenregelung brauchen, um den medizinischen Nachwuchs und die Gesundheitsversorgung in Österreich sicherzustellen. Sie hat das als wichtige Begründung anerkannt.
Wie sehen Sie die Chancen auf eine Verlängerung des Moratoriums, das ein Vertragsverletzungsverfahren derzeit bis 2012 aussetzt?
Die Chancen sind derzeit gut, ich werde diesen Weg weiterverfolgen.
Welchen Sinn hat der Hochschuldialog nach dem Ausstieg der Rektoren noch?
Die Unis bestehen nicht nur aus Rektoren, es sind alle betroffenen Gruppen eingebunden. Es tut mir leid, dass sich die Rektoren herausgenommen haben, denn sie haben eine Verantwortung wahrzunehmen, das sollten sie auch im Hochschuldialog tun.
Laut Rektoren ist im Dialog nichts weitergegangen.
Wenn ein so breiter Dialog geführt wird, ist das mühsam und zeitaufwendig. Wir hätten es uns auch einfacher machen können, aber wir stellen uns sehr gerne diesen Diskussionen. Ich erwarte mir, dass aus dem Dialog wichtige Empfehlungen hervorkommen, die ich in meiner Politik berücksichtigen werde. Aber ein solcher Dialog kann nicht die Politik ersetzen.
Wie ist derzeit Ihr Verhältnis zu den Rektoren?
Es ist nicht so, dass hier Eiszeit herrscht. Ich führe Gespräche mit vielen Rektoren. Auch sind sie nach wie vor dazu eingeladen, am Dialog teilzunehmen.
Und wie kommen Sie mit den Studenten aus?
Ich bin froh, dass ich bei der "akademischen Fragestunde" (Treffen mit der Protestbewegung, Anm.) war, weil mir der Dialog mit den Studierenden wichtig ist. Aber die meisten wollen in Ruhe studieren und haben kein großes Interesse an Fragestunden, wo eine Ministerin beschimpft wird.
Wie würden Sie auf neue Uni-Besetzungen reagieren?
Ich würde den Besetzern natürlich Dialogbereitschaft anbieten und versuchen, Verständnis aufzubringen.
In zwei Wochen wird der Bundespräsident gewählt. Gibt es von Ihnen eine Wahlempfehlung?
Ich halte unsere Wähler für mündig genug, dass sie selbst entscheiden können, wen sie wählen.
Beatrix Karl (42) ist seit Jänner Wissenschaftsministerin. Davor war die Juristin ÖVP-Wissenschaftssprecherin und seit Sommer 2009 Generalsekretärin des Arbeitnehmerbundes ÖAAB.