Angriff ist die beste Verteidigung - das denkt sich derzeit offensichtlich die SPÖ-Führung in Sachen Bawag-/ÖGB-Affäre. Angesichts der nahenden Nationalratswahlen sucht man hier dringend nach anderen starken Schultern, die beim Tragen der schweren Bürde behilflich sein könnten. Diese glaubt nun die SPÖ in der Person von Finanzminister Karl-Heinz Grasser gefunden zu haben.
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Bereits seit Wochen ist das Verhalten des Ministers und seines Ministeriums bei der Prüfung der Bawag durch die Nationalbank in den Jahren 2000 und 2001 Gegenstand von Kritik von Medien und Oppositionsparteien. Mit ihrer parlamentarischen Anfrage zu Qualität und Intensität der Beziehung Grassers zu einer der Schlüsselfiguren des Bawag-Skandals, Wolfgang Flöttl Junior, versucht die SPÖ nun wieder das Gesetz des Handelns an sich zu reißen.
Die von sinkenden Umfragewerten und einem tiefen Zerwürfnis mit den Sozialdemokratischen Gewerkschaftern gebeutelte Partei glaubt offensichtlich nicht mehr daran, dass das Thema Bawag/ÖGB bis zum Wahltag noch aus den innenpolitischen Schlagzeilen verdrängt werden könnte. Also fügt man sich aus Sicht der SPÖ ins Unvermeidliche - und versucht, wenigstens den Finanzminister mit hinab ins Verderben zu ziehen, indem man ihm eine Mitschuld daran gibt, dass die Machenschaften des Bawag-Managements nicht rechtzeitig von den zuständigen staatlichen Aufsichtsbehörden gestoppt wurden. Die Hoffnung auf einen Nachweis schwerer Versäumnisse Grassers in dieser Affäre ist zum Strohhalm geworden, an den sich die SPÖ klammert.
Ob die SPÖ mit dieser Offensiv-Strategie Erfolg haben wird, steht allerdings in den Sternen. Grasser ist bisher noch allen Versuchen, ihn vom Beliebtheitsthron zu stoßen, wie Phönix aus der Asche entstiegen. Und sowohl SPÖ als auch Grüne und FPÖ haben ein beträchtliches Maß an politischer Energie aufgewendet, am Image des Finanzministers zu kratzen. Weder die Verwirrungen um die Finanzierungsmodalitäten seiner Homepage noch die Vergünstigungen bei privaten Flugreisen oder das aktuelle Hin und Her beim Kauf eines Bauernhofes in Kitzbühel vermochten bisher das Image Grassers als Sunnyboy der heimischen Innenpolitik nachhaltig zu beschädigen. Erst kürzlich bescheinigte ihm wieder eine Umfrage, nach wie vor zum Zugpferd für die ÖVP im kommenden Wahlkampf zu taugen.
Der Ratschlag des renommierten US-Wahlkampfberaters Stanley Greenberg - den die SPÖ auch heuer wieder für ihre Kampagne engagierte - aus dem Jahr 2002, angesichts der beeindruckenden Beliebtheitswerte des Finanzministers doch besser keine Attacken gegen Grasser zu reiten, scheint dieses Mal keine Wiederholung zu finden.
Allerdings: Mit ihren Versuchen, Grasser in die aktuelle innenpolitische Causa prima zu verwickeln, trägt die SPÖ selbst dafür Sorge, dass das Thema Bawag auch weiterhin am Köcheln bleibt.