Allein aufgrund der Fehler der Regierung wird die SPÖ nicht den Weg an die Macht zurück finden. Dazu bedarf es auch eines eigenständigen inhaltlichen Profils - und dieses fehlt nach Ansicht von OGM-Politologe Peter Hajek auch rund vier Jahre nach dem Amtsantritt von SPÖ-Chef Gusenbauer.
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Oft hat die SPÖ in den letzten Jahren das Ende der Regierung eingeläutet: Zuerst gleich nach Angelobung des Kabinetts Schüssel I, dann nach dem Rücktritt von Vizekanzlerin Riess-Passer und ein halbes Jahr später beim neuerlichen Regierungsantritt von Schwarz-Blau. Man war davon überzeugt, die Regierung würde an Sachthemen wie der Pensionsreform oder der EU-Osterweiterung, welche die FPÖ anfangs heftigst bekämpft hatte, zerbrechen. Nichts davon ist eingetroffen.
Die Sozialdemokraten haben sich die längste Zeit darauf verlassen, dass die Politik von ÖVP und Freiheitlichen auf keine Resonanz in der Bevölkerung stößt. Das stimmt auch zum Teil. 60 Prozent der österreichischen Wähler meinen, die Regierung mache keine erfolgreiche Politik.
Das Problem der SPÖ: Von der Opposition wird das Gleiche behauptet. Und hier sind wir beim Kern des Problems. Die SPÖ definiert sich hauptsächlich über die Ablehnung der Regierungspolitik und entwickelt kaum ein eigenständiges Profil. Woran liegt das?
Die SPÖ setzt zu wenig Eigeninitiativen, die unverkennbar mit der Partei verbunden sind. Es fehlen Kernthemen, die ganz klar die Positionierung der SPÖ verdeutlichen. Die Wähler wollen wissen, woran sie sind. Nur für soziale Gerechtigkeit zu stehen, ist heute definitiv zu wenig. Man hat das Gefühl, die SPÖ versucht es allen Wählergruppen recht zu machen. Das funktioniert aber nicht und lähmt die inhaltliche Arbeit.
Darunter leidet die politische Kommunikation. Die zwei Grundregeln in der heutigen Mediendemokratie lauten: "Stay on the message" und "Keep it short and simple". Beides vermag die SPÖ nicht einzuhalten. Es gibt zu oft divergierende Meinungen wie zuletzt bei den Verhandlungen zum Finanzausgleich. Die darauf folgenden Erklärungen sind zu kompliziert und es entsteht der Eindruck von Wankelmütigkeit.
Das färbt auch auf den Parteichef und die Führungsspitze ab. Die Partei hat sich zu lange auf Führungspersönlichkeiten wie Kreisky, Vranitzky oder auch Klima verlassen. Am Ende hat man diese Bürde Alfred Gusenbauer aufgehalst. Dieser hatte den unbestrittenen Nachteil, die SPÖ in ihrer schwierigsten Situation zu übernehmen. Finanziell, inhaltlich und personell ausgeblutet, war die Übernahme der Parteiführung ein Himmelfahrtskommando. Der Umbau wurde aber bis heute nicht durchgängig vollzogen.
Die SPÖ schafft es derzeit nicht, eine Aufbruchsstimmung zu vermitteln. Es entsteht der Eindruck, hier sind die Nachlassverwalter eines großen Erbes am Werk. Und schlussendlich bleibt die Frage über: Was bedeutet sozialdemokratisch im 21. Jahrhundert? Darauf gilt es plausible und konkrete Antworten zu finden. Das ist aber nicht nur ein Problem der SPÖ, sondern der gesamten europäischen Sozialdemokratie.
Es bedarf eines klar durchstrukturierten Konzepts für die nächsten Jahre, um nicht wie die ÖVP erst nach 30 Jahren wieder den Kanzler zu stellen. Dazu gehört auch die parteiinterne Klärung, wie mit der FPÖ umzugehen ist.
Wie schnell man in der Politik aber auf die Gewinnerseite kommen kann, hat das Jahr 2000 gezeigt. Wo wäre die ÖVP heute, hätte sie den Gang in die Opposition angetreten? Nur sollte sich die SPÖ nicht auf ein solches "window of opportunity" verlassen.
Peter Hajek ist Politikwissenschaftler und Leiter des Bereichs Politikforschung des Markt- und Meinungsforschungsinstituts OGM