Julia Herr, 21-jährige Vorsitzende der Sozialistischen Jugend, im Interview.
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Wien. Julia Herr, seit drei Monaten Vorsitzende der Sozialistischen Jugend, spricht über Barbara Prammer und das Glaubwürdigkeitsproblem der SPÖ.
"Wiener Zeitung": Sie sind die erste Frau an der SJ-Spitze: Inwiefern war Barbara Prammer für Sie ein politisches Vorbild?
Julia Herr: Natürlich war und ist sie ein Vorbild. Barbara Prammer ist immer Frauenpolitikerin geblieben und war oft Verbündete der SJ - vor allem bei Demokratiefragen in- und außerhalb der SPÖ. Auch ihr antifaschistisches Engagement war großartig. Sie war eine große Sozialdemokratin und wird sehr fehlen.
Sie haben im Mai begonnen. Was hat sich seither verändert?
Die SJ war historisch der SPÖ gegenüber immer kritisch. Dahingehend hat sich nichts geändert. Erst unlängst, als sich die SJ für die Legalisierung von Cannabis aussprach, kam es zu Diskussionen. Es gibt Menschen in der SPÖ, die der SJ nicht so wohlgesonnen sind, aber natürlich auch viele Verbündete. Wir heben uns von anderen politischen Jugendorganisationen ab, die reine Fangemeinden sind. Wir sind sicher keine Jubelgruppe à la JVP (ÖVP) und RFJ (FPÖ).
Was stört Sie aktuell an der Mutterpartei?
Die SPÖ vernachlässigt die Kernwähler - der SPÖ sind bei der Nationalratswahl 17.000 Wähler an das Nichtwählerlager verloren gegangen. Das sollte uns zu denken geben. Wir haben bei den eigenen Wählerschichten ein massives Glaubwürdigkeitsproblem. Die Themen, die wir plakatieren - von Arbeit bis Bildung -, werden nicht umgesetzt. Wir müssen daran arbeiten, die Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen.
Gehören auch Migranten zu den Kernwählern? Spricht die SPÖ diese genug an?
Wohnen, Arbeit - das trifft auch viele Migranten, die in prekären Arbeitsverhältnissen sind oder sich ihre Wohnung nicht mehr leisten können. Auch das Wahlrecht ist zum Beispiel extrem unverhältnismäßig in Österreich, wenn man bedenkt, wie viele Millionen Migranten in Österreich leben, die nicht wählen dürfen, weil sie keine Staatsbürgerschaft haben. Es wäre an der Zeit, sich endlich für eine Änderung einzusetzen. Die Zahlen sprechen für sich, aber man gibt diesen Menschen keine Stimme.
Inwiefern gleichen sich Anliegen der Migranten und die der sozialdemokratischen Kernwählerschaft?
Leistbares Wohnen, Bildung für alle, ein Lohn, mit dem man gut leben kann, etc. Das sind alles Anliegen, die nichts mit der Herkunft eines Menschen zu tun haben und uns alle betreffen. Diese Bereiche müssen endlich von der Regierung angegangen werden.
Wie ist das Standing einer jungen Frau an der Spitze einer Jugendorganisation? Sind Sie mit mehr Widerstand konfrontiert?
Allein, dass es 120 Jahre gebraucht hat, bis eine Frau bei der SJ an der Spitze steht - daran kann man sehen, dass Mechanismen, die Frauen benachteiligen, immer noch vorhanden sind. Eine weibliche Spitze setzt ein Zeichen. Wir warten immer noch auf die weibliche Parteivorsitzende - und eine Bundeskanzlerin.
Julia Herr: Die 21-jährige Eisenstädterin studiert Soziologie und ist seit 3. Mai 2014 die erste weibliche und auch die jüngste Vorsitzende in der Geschichte der Sozialistischen Jugend.