Mit ihren bunten Flügeln übermitteln Schmetterlinge die verschiedensten Botschaften.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 9 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Berlin. Als die Welt noch jung war, wollte der Schöpfer eines Tages etwas besonders Schönes erschaffen. Also sammelte er die prächtigsten Farben und steckte sie in einen Sack: das Blau des Himmels, das Grün der Bäume, das Gelb der Sonne und das Rot, Orange und Violett der Blumen. Und als er den Sack wieder öffnete, flatterten hunderte von leuchtend bunten Gestalten heraus: Die Schmetterlinge hatten ihren ersten, spektakulären Auftritt.
So erzählt es eine Legende nordamerikanischer Ureinwohner. Forscher haben da nüchternere Erklärungen. Doch auch für sie ist die Farbenpracht der Schmetterlinge voller interessanter Rätsel. Klar ist, dass einige der spektakulärsten Falterfarben auf reiner Physik beruhen. Die unzähligen Schuppen auf den Flügeln der Insekten sind mit winzigen Rippen und anderen Nano-Strukturen übersät.
Physikalische Tricks
Das Design bewirkt, dass die Wellenlängen des Lichtes unterschiedlich reflektiert werden. So entstehen schillernde Blau- oder Grüntöne. Ein gut erhaltenes Fossil aus der Grube Messel bei Darmstadt zeigt, dass Schmetterlinge diesen physikalischen Trick schon vor 47 Millionen Jahren genutzt haben. "Welche Arten solche Strukturfarben verwenden, kann man in alten Schmetterlingssammlungen erkennen", so Josef Settele, Schmetterlingsexperte am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Halle. "Die, die nicht verblasst sind."
Dank ihrer Nano-Oberflächen strahlen die handgroßen Morphofalter aus Mittel- und Südamerika noch nach Jahrhunderten in blauer Pracht. Und auch einige mitteleuropäische Arten nutzen die Gesetze der Physik für ein dauerhaftes Farbenspiel. Dazu gehören der Große und der Kleine Schillerfalter sowie etliche Bläulinge.
Auch viele längst ausgeblichene Sammlungsstücke hatten zu Lebzeiten durchaus dekorative Flügel. Jedoch entstehen etwa die Rottöne eines Admirals oder Pfauenauges durch chemische Farbstoffe, die durch Licht mit der Zeit verblassen. Die Palette dieser Pigmente reicht von den roten oder violetten Anthocyanen über die gelben Flavone bis zu den braunen Melaninen. Die Farbstoffe entstehen aus der vegetarischen Kost, die ein Schmetterling als Raupe zu sich genommen hat.
Während seiner Puppenphase wandelt er bestimmte Inhaltsstoffe der Menüs in neue farbige Verbindungen um. "Das sind eigentlich Abfallstoffe seines Stoffwechsels", erklärt Settele. "Und die muss er irgendwo deponieren." Warum also nicht die Flügel als körpereigene Müllhalde nutzen? Doch welchen Zweck erfüllen die Pigmente? Die Antwort fällt je nach Art unterschiedlich aus.
Da gibt es die Unauffälligen, die ihr Tarnkleid an die Umgebung anpassen, um so den Augen ihrer Feinde zu entgehen. Andere setzen dagegen auf Abschreckung und ahmen die Farben von ungenießbaren Arten nach. Mit dieser Strategie, die Biologen "Mimikry" nennen, schützt sich etwa der Kleine Mormon Papilio polytes. Die Weibchen dieser in Asien weitverbreiteten Art können sogar etliche verschiedene giftige Vorbilder imitieren.
Doch was ist mit den Schmetterlingen selbst? Die sollten ja zwischen Original und Fälschung unterscheiden, sonst wird es bei der Partnersuche schwierig. Manche Arten haben dieses Problem elegant gelöst, indem sie Sehsinn und Flügelfarbe aufeinander abgestimmt haben. Einem solchen Fall ist Adriana Briscoe von der University of California in Irvine bei den Passionsblumenfaltern der Gattung Heliconius auf die Spur gekommen. Diese in Mittel- und Südamerika beheimateten Tiere haben viele für Vögel ungenießbare Arten in ihren Reihen. Deshalb versuchen etliche Imitatoren, ihr Flügelmuster nachzuahmen und so ebenfalls den hungrigen Schnäbeln zu entgehen. Jedoch haben die Heliconius-Falter im Laufe der Evolution eine ziemlich fälschungssichere Besonderheit entwickelt. Der Teil ihrer Flügel, der für menschliche Augen gelb aussieht, reflektiert zusätzlich nämlich auch für Menschen unsichtbares UV-Licht.
Dank spezieller Sehpigmente können die Passionsblumenfalter dieses "UV-Gelb" von den UV-freien Gelbtönen auf den Flügeln ihrer Imitatoren unterscheiden. Anderen Faltern sowie feindlichen Vögeln scheint dieser Unterschied dagegen nicht aufzufallen.
Möglicherweise helfen die bunten Muster nicht nur dabei, Artgenossen zu erkennen. Vielleicht zeigen sie den Weibchen auch, welcher unter den infrage kommenden Partnern besonders gute Qualitäten hat. Es gebe Hinweise darauf, dass auch in Falterkreisen die Devise gilt: "Je bunter, desto besser." So hat Darell Kemp von der Macquarie University in Sydney die Männchen von zwei eng verwandten Schmetterlingsarten aus Australien studiert. Beide haben dunkle Flügel, die sie mit verschiedenen hellen und blauen Ornamenten schmücken. Die Männchen der Großen Eierfliege Hypolimnas bolina setzen auf blau schillernde Flecken, die UV-Licht besonders stark reflektieren. Die blauen Streifen auf den Flügeln der verwandten Art Hypolimnas alimena dagegen leuchten und schillern längst nicht so stark.
Auch der Duft besticht
Hinter diesem Unterschied stecken offenbar die Vorlieben der Weibchen. Denn weibliche Große Eierfliegen haben ein Faible für besonders leuchtend gefärbte und stark UV-reflektierende Partner. Die Weibchen von Hypolimnas alimena sind dagegen längst nicht so wählerisch.
Auch der Duft scheint bei der Partnersuche wichtig zu sein - etwa bei den Weibchen des kleinen, braunen Bicyclus anynana aus Ostafrika. Diese haben zwar Ansprüche an die Optik des Partners und lassen sich auch beeinflussen, wenn Erica Westerman und Antonia Monteiro von der Yale University auf die Schmetterlinge zusätzliche Punkte anbrachten. Beim Duft aber machten sie keine Kompromisse: Sobald die Forscherinnen den Geruch der Männchen manipulierten, gingen die Weibchen natürlich gefärbten Kandidaten aus dem Weg und entwickelten auch kein Interesse an zusätzlichen Flecken. Wer nicht die richtige Duftnote hat, kann sich beim Flügeldesign also noch so viel Mühe geben. Auch die Schmetterlingswelt besteht nicht nur aus Farben.