Suche nach möglicher Komplizin der Attentäter von Paris.
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Istanbul. Wo ist Hayat Boumedienne, die 26-jährige Freundin des Pariser Terroristen Amedy Coulibaly? Inzwischen verdichten sich laut türkischen Medien Hinweise, dass sich die mögliche Komplizin einige Tage vor der Anschlagserie auf die Redaktion des Satiremagazins Charlie Hebdo und einen koscheren Pariser Supermarkt in die Türkei und von dort nach Syrien absetzte.
Wie die Zeitung "Hürriyet" meldet, antworteten türkische Sicherheitsbehörden am 9. Jänner, dem Tag des Supermarkt-Anschlags, auf Fragen aus Paris nach dem Aufenthaltsort von Hayat Boumedienne, dass die mutmaßliche Komplizin des Geiselnehmers am 2. Jänner über den Istanbuler Atatürk-Flughafen in die Türkei eingereist sei. Inzwischen liegen auch Aufnahmen einer Überwachungskamera der Passkontrolle vor, auf denen Boumedienne identifiziert wurde. Acht Stunden nach der ersten Anfrage konnten die Behörden die Nummer eines türkischen Mobiltelefons, das die junge Frau erworben hatte, nach Frankreich übermitteln. Doch diese Information nutzte niemandem mehr, da das Handy nicht mehr zu orten war.
Bei der Ankunft am Flughafen wurden Boumediennes Fingerabdrücke abgenommen, eine absolut unübliche Maßnahme, für die die türkischen Behörden bisher keine Erklärung geliefert haben. Stand die Französin auf einer "schwarzen Liste" von verdächtigen Personen? Wieso wurde ihr aber dann die Einreise gestattet? Noch seltsamer ist der Umstand, dass offizielle Stellen über eine mangelnde Kooperation Frankreichs mit der Türkei bei der Identifizierung möglicher Islamisten klagen. Die Zeitung "Habertürk" schreibt, dass die Kontrolleure am Flughafen die Lebensgefährtin des Terroristen Coulibaly passieren ließen, weil die Frau auf keiner nach Ankara geschickten französischen Verdächtigenliste stand.
"Hürriyet" wiederum zitiert einen anonymen türkischen Spitzenbeamten, der den Europäern generell vorwirft, zu wenig Informationen über einreisende Dschihadisten zu übermitteln.
Flugzeugentführung geplant
"Militante mit EU-Pässen kommen als Touristen in die Türkei, und dagegen können wir nichts machen", so der Beamte. Der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoglu erklärte bei seinem Besuch in Berlin am Montag, dass sein Land bereits zirka 2000 Verdächtige ausgewiesen habe.
Trotz mangelnder Informationen muss Hayat Boumedienne der türkischen Polizei verdächtig erschienen sein, denn laut der regierungsnahen Zeitung "Yeni Safak" überwachten die Behörden ihren Aufenthaltsort im Land anhand der Handydaten. Sie habe zwei Tage in einem Hotel des Istanbuler Stadtteils Kadiköy in Begleitung eines weiteren Franzosen namens Mehdi Sabri Belhouchine verbracht, bevor sie an die syrische Grenze geflogen und von der Provinz Sanliurfa vermutlich nach Syrien gegangen seien.
Beide seien über Madrid nach Istanbul geflogen und hätten Rückflugtickets für den 9. Jänner besessen, die sie aber nicht mehr nutzten. Aus Istanbul wurde mit dem Handy insgesamt 18 Mal mit Paris telefoniert, das letzte Signal konnte am 10. Januar in der syrischen, vom IS kontrollierten Grenzstadt Tel Abyad registriert werden. Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu erklärte, aus Telefonmitschnitten ergebe sich, dass Boumedienne und ihr Begleiter inzwischen in Syrien seien.
Die Flucht der mutmaßlichen französischen Islamisten wirft die Frage auf, ob eine größere Terrorzelle hinter den Pariser Anschlägen stand. "Yeni Safak" behauptet unter Berufung auf anonyme Informanten, dass die Kouachi-Brüder vorhatten, auf dem Pariser Flughafen Charles de Gaulle ein Flugzeug zu entführen und damit in die vom IS besetzte irakische Metropole Mosul zu fliegen. Der Flughafentower in Mosul habe sich bereits auf die Ankunft der entführten Maschine vorbereitet gehabt.
Wie erst am Dienstag bekannt wurde, ist ein weiterer mutmaßlicher Islamist mit Verbindungen zu einem der "Charlie Hebdo"-Attentäter bereits am 1. Jänner in Bulgarien festgenommen worden. Der 29-Jährige Fritz-Joly Joachin habe mehrfach Kontakt mit Chérif Kouachi gehabt.
Die Zeitung "Milliyet" meldet unter Berufung auf Sezgin Tanrikulu, den Vizepräsidenten der sozialdemokratischen Oppositionspartei CHP in Ankara, dass die Kouachi-Brüder eine Weile in der Türkei gelebt hätten und dort 2013 auch einmal festgenommen worden seien.