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Die Spuren eines Mörders

Von Georg Friesenbichler

Europaarchiv

"Casa Pound" distanziert sich - aber deutsche und finnische Kontakte.


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Florenz. Die Reaktionen der äußersten Rechten ähneln denen nach den Untaten des Norwegers Anders Breivik oder der deutschen Neonazi-Zelle aus Zwickau. "Den Mörder von Florenz der extremen Rechten zuzuschreiben, bedeutet, eine Tat fälschlich politisch zu interpretieren, die nur mit Geistesgestörtheit erklärt werden kann", poltert etwa ein Regionalpolitiker der neofaschistischen Partei La Destra. Und auch die Organisation "Casa Pound", in deren Umfeld der 50-jährige Täter zu finden war, spricht von einem Wahnsinnigen.

Gianluca Casseri, der am Dienstag in Florenz zwei senegalesische Straßenhändler erschossen hat, war zwar ein Sympathisant von "Casa Pound Italia", wird auf der Homepage der Bewegung eingeräumt, das treffe aber auf "Tausende andere in ganz Italien auch" zu. Und er sei keiner ihrer Aktivisten gewesen. Vielmehr habe es sich um einen Einzelgänger gehandelt, der sich lieber in Büchern als in politischen Schriften vergrub, "ohne Telefon, ohne Computer, schwer depressiv", heißt es dort an anderer Stelle.

Sogar der um das Image seiner Stadt besorgte Bürgermeister von Florenz, Matteo Renzi vom sozialdemokratischen Partito Democratico, der das Attentat strikt verurteilt hat, betont, dass es sich nicht um die Tat einer Gruppe handle. Casseri wird also eher als Figur ähnlich dem Terroristen Breivik gesehen, der zwar Kontakte zu Rechtsextremen in ganz Europa gesucht hatte, dann aber als Einzeltäter im heurigen Sommer 77 Menschen in Norwegen ermordete. Während Breivik aber vor allem als Feind einer angeblichen Islamisierung Europas agierte, bediente sich der Italiener bei eher traditionellen Motiven der extremen Rechten: In seinen Büchern wetterte er gegen die jüdische Weltverschwörung. In seinem Werk "Die Schlüssel des Chaos" entwarf er eine Welt, in der die nordischen, germanischen Rassen ständig vom äußeren Chaos bedroht wird.

Finnland ermittelt zu "Italian Connection"

Dieses Buch soll der Fan von fantastischer Literatur und Comics mehrmals bei Sitzungen von "Casa Pound" in seiner toskanischen Heimatprovinz Pistoia vorgestellt haben. Auch als Schreiber auf der von der Bewegung gestalteten Website "Ideodromo" soll Casseri mehrfach hervorgetreten sein, mittlerweile wurden seine Beiträge allerdings entfernt. Trotz ihrer Distanzierung von der Bluttat ist die Gruppe daher in das Visier von Ermittlern geraten - sogar in Finnland. Denn die dort beheimatete rassistische, antisemitische und antidemokratische "Suomen Vastarintaliike" (Finnische Widerstandsbewegung) unterhält Kontakte zu gleich und ähnlich gesinnten Gruppen in Schweden und Norwegen, aber auch in anderen Ländern. Und dazu gehört eben auch "Casa Pound".

Entstanden ist die Gruppe durch Neofaschisten, die 2003 in einem Migrantenviertel in der Nähe des Termini-Bahnhofs in Rom ein Haus besetzten. Ausgehend von dem dort geschaffenen rechtsextremen Kulturzentrum, das nach dem US-Schriftsteller Ezra Pound, einem Bewunderer Benito Mussolinis, benannt wurde, verbreitete sie sich in ganz Italien - auch mit Hilfe weiterer Hausbesetzungen. Diese traditionelle Protestform der Linken wird dazu benutzt, die soziale Kompetenz der "Casa Pound" zu unterstreichen. Man kümmert sich neben Wohnraum ebenso um Arbeit, Steuer und Gesundheit.

Kultur und Propaganda faszinieren auch die NPD

Heute hat die Gruppierung einen Radio- und einen TV-Sender, zwei Zeitschriften, Sportmannschaften und eine Theatergruppe. Vor allem aber verbreitet sie faschistisches Gedankengut mit Rockmusikveranstaltungen - kein Wunder, ist doch "Casa Pound"-Präsident Gianluca Iannone selbst Bandleader der Gruppe "Zerozeroalfa", deren Anhänger sich bei Konzerten gerne gegenseitig mit Gürteln auspeitschen.

Auch den deutschen Rechtsextremen gilt Musik als wichtiges Propagandainstrument, und so spielten deutsche Rechtsrock-Bands auch bei italienischen Festivals. Die italienische Art der Verbindung von Kultur und Politik hat insgesamt große Attraktivität für die NPD und für die freien Kameradschaften - bei Schulungen und Strategiediskussionen wird die "Casa Pound" gerne als Vorbild dargestellt.

Auf der rechtsextremen Internetseite "westfalen-nord.net" heißt es über die Zentrale in Rom in einschlägiger Diktion begeistert: "Die Bewohner dieses Hauses leben uns in beispielhafter Weise eine nationale und sozialistische Volksgemeinschaft vor: Allen ehrlichen und schaffenden Volksgenossen ein lebenswürdiges Heim! Gegen Spekulantentum und Zinsknechtschaft!" Laut Experten kommen NPD-Mitglieder auch immer wieder nach Italien, um sich mit den dortigen Gesinnungsgenossen auszutauschen.

Dies belegt einmal mehr, dass die extreme Rechte in Europa gut vernetzt ist. Vielleicht ließ sich sogar Casseri von den deutschen Rechtsterroristen aus Thüringen, die neun Migranten erschossen hatten, inspirieren, als er an die Afrikaner herantrat und mit den Worten "Neger, jetzt seid ihr dran!" das Feuer eröffnete.

Befragen kann man ihn dazu nicht mehr, denn er beging nach seiner Tat Selbstmord. Auf einschlägigen Webseiten wird er als "weißer Held" gefeiert.