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Die Stadionuhr steht wieder auf null

Von Christian Mayr

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Mit dem Achtelfinale beginnt die WM noch einmal neu - aus der Geschichte wissen wir, dass Vorrunden-Kaiser schon oft entzaubert wurden.


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Mit dem südamerikanischen Kracher zwischen Brasilien und Chile beginnt die Finalphase der WM - und damit startet das Turnier noch einmal neu. Alles, was in der Vorrunde war, zählt nun ab dem Achtelfinale nicht mehr; wer sich besser auf seine Gegner einstellt, wer sich von Runde zu Runde noch steigern kann, der wird noch lange im Turnier verbleiben. Zu hoffen ist, dass der Tordrang und Offensivgeist in der vielleicht besten Vorrunde der WM-Historie auch in den K.o.-Duellen erhalten bleibt, die leider in der Vergangenheit allzu oft von vorsichtigem taktischen Ballgeplänkel dominiert waren. Dass das Motto "Nur nicht in Rückstand geraten" bei diesen Titelkämpfen durch etliche gedrehte Partien nicht mehr so stilgebend sein sollte, ist auch eine Erkenntnis aus der Gruppenphase. Und wenn es dann nach 120Minuten noch keinen Sieger geben sollte, dürfen wir uns wieder auf den ultimativen ballistischen Psychotest namens Elfmeterschießen freuen. Aus diesem Gesichtspunkt ist es unendlich schade, dass die Engländer Brasilien schon verlassen haben - gerne hätte man den "Three Lions" wieder dabei zugesehen, wie sie sich mit ihrem Elfertrauma herumplagen.

Jetzt, wo die Uhren in den Stadien wieder auf null stehen, ist auch die Favoritenrolle neu zu vergeben. Zum einen hat sich einer der Kandidaten, Noch-Weltmeister Spanien, früh verabschiedet; zum anderen lehrt uns die Geschichte, dass Vorrunden-Weltmeister schon oft entzaubert, dafür Rumpelkicker in der Entscheidungsphase groß aufgespielt haben. Dabei braucht man gar nicht die Anspielung auf unsere deutschen Nachbarn weiter zu verfolgen, es gibt genügend andere Beispiele. Etwa Frankreich anno 2006: Zinédine Zidane und Franck Ribéry mühen sich durch die Vorrunde und steigen nur durch einen 2:0-Sieg über Neuling Togo auf. Im Achtelfinale gegen Spanien sind die Bleues dann chancenlos - bis zur 41.Minute. Mit dem Ausgleich von Ribéry wird scheinbar ein Schalter umgelegt, der die Équipe Tricolore zu Höchstleistungen und mit Siegen über Brasilien und Portugal letztlich fast bis zum Titel treibt. Ein weiteres Beispiel liefert uns die WM 1982: Italien bietet in Gruppe A einen Kick zum Wegschauen, rettet sich nach drei Remis nur dank der mehr geschossenen Tore vor Kamerun in die nächste Runde. In dieser sagenhaft schwierigen Dreier-Zwischengruppe mit Brasilien und Argentinien steigern sich die Azzurri dann aber zur Höchstform und gewinnen beide Matches - womit auch der bis dahin furios aufgeigende Titelfavorit Brasilien mit Regisseur Zico entzaubert ist. Der Lauf endet für die Italiener bekanntlich erst mit dem WM-Titel. Und das jüngste Beispiel für frühzeitig hochgejubelte Vorrunden-Kaiser ist Holland bei der Alpen-EM 2008: In mitreißenden Partien werden sowohl Weltmeister Italien (3:0) als auch Vize Frankreich (4:1) an die Wand gespielt, mit der B-Elf wird dann auch noch Rumänien 2:0 besiegt. Als alle schon vom Titel sprechen, beendet ausgerechnet der holländische Trainerfuchs in Diensten Russlands, nämlich Guus Hiddink, mit einer ausgefeilten Taktik sämtliche Träume der Oranje (1:3nach Verlängerung im Viertelfinale). Daher ist man kein großer Prophet, wenn man auch für diese K.o.-Phase die eine oder andere Überraschung - entgegen der Vorrunden-Papierform - voraussagt.