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"Hypotopia" nennt sich die 19-Milliarden-Stadt, die
TU-Studenten um die Kosten der Rettung der Hypo-Bank planten.
Das Projekt zeigt, was alles möglich wäre, würde man diese Summe in die Stadtplanung stecken.
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Was könnte man mit 19 Milliarden Euro alles machen? Man könnte viele Dinge kaufen, so viel steht fest, aber wenn das Geld von den Steuerzahlern kommt, dann müsste man doch auch etwas für die Gemeinschaft schaffen können. Dies dachten sich Studenten und Studentinnen der Technischen Universität Wien. Das Ergebnis ihrer Überlegungen ist eindrucksvoll und kann sich auch bald sehen lassen.
Lebensraum für 102.574 Menschen. Nicht weniger als 1260 verschiedene Objekte – von Wohnhäusern, Bürogebäuden, einem Stadion, Windkraftanlagen, Brücken, einer Müllverbrennungsanlage und vielem mehr – und dies alles mit einer autarken Energieversorgung und einem innovativen Verkehrskonzept. Dies alles könnte mit 19.000.000.000 (19 Milliarden) Euro gebaut werden. Dies entspricht genau jener Summe, die die Steuerzahler für die Rettung der Hypo Alpe Adria Bank zahlen werden müssen, vielleicht sogar noch mehr. Der Name dieser neuen Stadt am Reißbrett ist "Hypotopia".
Unter dem Projekttitel "Die Milliardenstadt" entwickelt die Gruppe von Studenten derzeit das Konzept der Metropole "Hypotopia", die sich fiktiv auf einer Fläche von 12,17 Quadratkilometern erstreckt und virtuell die sechstgrößte Stadt Österreichs darstellt. Und mit diesen Ausmaßen die Kärntner Landeshauptstadt Klagenfurt übertreffen würde. Ein digitales 3D-Modell der Stadt samt Fluss, futuristischer Skyline und Windrädern ist auf der Internetseite der Gruppe bereits abrufbar. Doch damit nicht genug, das Projekt soll auch nachgebaut werden, im Maßstab 1:100.
Der Traum der Städteplaner
Immer noch zieht es Menschen vom Land in die Stadt. Die Metropolen dieser Welt wachsen und wachsen. Es überrascht daher auch nicht, dass das Feld der Stadtplanung und Stadterweiterung immer größere Bedeutung gewinnt. Das große Problem ist jedoch, dass bebaubare Flächen innerhalb der Stadtgrenzen fehlen. Es bedarf daher meist "glücklicher Fügungen", um verfallene Industriestandorte revitalisieren oder nicht mehr benötigte Areale des öffentlichen Verkehrs für die wachsende Bevölkerung nutzbar zu machen. In Wien zeigen sich diese Entwicklungen etwa beim Stadtentwicklungsprojekt "Seestadt" Aspern. Mit anvisierten 20.000 Wohn- und genauso vielen Arbeitsplätzen im Vollausbau ist das 240 Hektar umfassende Projekt derzeit Wiens größtes Stadtentwicklungsgebiet. Eine weitere große innerstädtische Entwicklungszone Wiens ist das Gelände des ehemaligen Nordbahnhofs im 2. Bezirk. Die Bebauung des 85 Hektar großen Geländes mit rund 10.000 Wohnungen und 20.000 Arbeitsplätzen ist bis 2025 vorgesehen. Die Baukosten beider Projekte zusammen liegen jedoch weit unter den 19 Milliarden Euro, die man für "Hypotopia" postuliert. Und auch die deutsche Stadt Hamburg könnte sich glücklich schätzen, eine derartige Summe für das Mammutprojekt "Masterplan Altona Mitte" zur Verfügung zu haben. Hier wird das riesige Gelände des innerstädtischen Bahnhofs Altona in den kommenden Jahrzehnten zu einem neuen Stadtbezirk umgestaltet. Man sieht also, ein Bankenrettungspaket könnte Unglaubliches bewegen, würde es in Stadtentwicklung investiert.
Die Intention der Gruppe rund um TU-Student Lukas Zeilbauer war es, jene Summe plastischer zu machen, die die Rettung der pleitegegangenen Bank in Kärnten kostet. Eine Stadt schien dafür am besten geeignet. "Hypotopia soll sich möglichst nahe am Ausgangsort des gesamten Übels befinden", heißt es in der Projektbeschreibung. Der fiktive Ort ist daher in Kärnten angesiedelt – allerdings soll dies nicht als Kritik an Kärnten gesehen werden, so die Projektverantwortlichen. Würde die gerettete Pleitebank in einem anderen Bundesland stehen, dann wäre eben dort ein Areal verplant worden.
Zudem soll es bei dem Gemeinschaftsprojekt, an dem sich Studenten aus unterschiedlichen Fachbereichen der TU Wien, von Architektur, Raumplanung, Grafik und Bauingenieurswesen bis hin zu Informatik beteiligen, weniger um Protest, sondern vielmehr darum gehen, den Menschen die Augen zu öffnen. Es soll somit eine breite öffentliche Diskussion über Bankenrettung, Steuern und die Zukunft Österreichs gestartet werden. Ein Ziel, das die Studenten bereits erreicht haben, sieht man sich die Resonanz in den Medien an.
"Hypotopia" ist dabei aber durchaus als eine Stadt der Zukunft zu verstehen. Mit technologischen Innovationen, von denen man derzeit leider nur träumen kann. Ein durchdachtes Verkehrskonzept, das komplett auf öffentliche Verkehrsmittel setzt, schafft eine autofreie Metropole mit viel Grünflächen und lebenswerten Mittelpunkten städtischen Zusammenlebens. Ganz bewusst wird auch der geplante Fluss für den Transport genutzt. So soll der innerstädtische Personentransport mittels Flussschiffen, diese "können flussnahe Wegziele auf etwas unkonventionellere Weise erschließen und als eher "gemütlich" anmutendes Verkehrsmittel den innerstädtischen PendlerInnenverkehr bedienen, aber auch Freizeitziele bequem erreichbar machen", erfolgen. In "Hypotopia" gibt es außer den Ver- und Entsorgungswegen keinerlei Straßen für den motorisieren Verkehr. "Aufgrund der ausgeklügelten Planung sind die Hauptverkehrsmittel die Beine", meint Zeilbauer. Nach Möglichkeit sollen andere Fahrzeuge rein elektrisch betrieben werden. "Und die Hochhäuser können alle problemlos aus Holz gebaut werden, denn bei uns existiert keine mächtige Betonlobby", erklärt Zeilbauer. Kinderbetreuungsplätze, Spitäler, Kinos und ein Sportstadion sind ebenso zu finden. Auch eine vollkommen autarke Versorgung mit erneuerbarer Energie ist in den Gesamtkosten bereits miteinberechnet. Ein geschlossener Wertstoffkreislauf mit entsprechenden Mülltrennungs- und Sammelsystemen, eine Müllverbrennungs- und eine Kläranlage sowie ein ganzheitlicher Blick auf Müllvermeidung sollen die Stadt der Zukunft über Generationen hin lebenswert machen. Diese umfassende Planung soll somit auch generell aufzeigen, wie zeitgemäße, ökologisch und sozial nachhaltige Stadtplanung aussehen könnte – sofern man die entsprechenden finanziellen Mittel zur Verfügung hat. Das Team der studentischen Stadtplaner beschäftigt sich mit Themenkomplexen wie Mobilität, Energie und Bildung.
Ab Oktober wird die Milliardenstadt nicht mehr nur virtuell in 3D zu sehen sein, sondern auch als Modell im Maßstab 1:100 auf dem Wiener Karlsplatz ausgestellt werden. Derzeit arbeiten die Studentinnen und Studenten an einem begehbaren Modell. Im Wiener Arsenal werden in einer riesigen Halle die ersten Häusersiedlungen aus Beton gegossen. Die Studenten arbeiten unentgeltlich, erhalten aber im Rahmen einer Lehrveranstaltung für das Studium anrechenbare Credit Points. Auch Sponsoren, die Schalungen, Beton und Holz für das Modell zur Verfügung stellen, haben sich bereits gefunden. Am Ende müssen mehr als 1200 Objekte mit einem Gesamtgewicht der Einzelteile von 40 Tonnen vom Arsenal in den ausgelassenen Brunnen vor der Karlskirche gebracht werden.
Info: www.milliardenstadt.at