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Erstarkte Rechtspopulisten, murrende Konservative: Angela Merkel steht bei der erneuten Kanzlerkandidatur ihr härtester Wahlkampf bevor.
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Berlin. Die Vorsitzende der rechtspopulistischen Alternative für Deutschland (AfD) freute sich über die Personalentscheidung der politischen Konkurrenz. Denn Frauke Petry ist sich sicher, dass die Entscheidung Angela Merkels, erneut für die Kanzlerschaft kandidieren zu wollen, der AfD in die Hände spielt. "Damit stellt sich die Politikerin zur Wiederwahl, die das milliardenteure und gefährliche Einwanderungschaos verursacht hat und unter deren Führung die Energiewende an die Wand gefahren wurde", polterte Petry am Montag.
Merkel, die seit bereits elf Jahren im Amt ist, hatte nach langem Zögern am Sonntagabend bekanntgegeben, dass sie Deutschland vier weitere Jahre lenken will. Sie glaube, dass sie die Neugier, die Entschlossenheit als auch die Ideen habe, um erneut antreten zu können, sagte die 62-Jährige. Merkel betonte aber auch, dass diese Wahl schwieriger werden würde als die zuvor. "Wir werden es mit Anfechtungen von allen Seiten zu tun haben - von rechts, von links", sagte sie.
Mit ihrem Zitat vom Montag bestätigte Petry die Kanzlerin sogleich. Der Ton in diesem Wahlkampf wird um einiges rauer und untergriffiger werden. Denn Merkel ist diesmal mit einem Umfeld konfrontiert, das es zuvor so nicht gab: Mit der AfD ist eine rechtspopulistische Bewegung entstanden, die Merkel als Symbolfigur einer offenen Flüchtlingspolitik unentwegt angreift und die mit ihrem Auftreten gegen Zuwanderung und Islam bereits bei Landtagswahlen erfolgreich Wähler köderte. 15 Prozent der Stimmen erhielt sie dieses Jahr in Baden-Württemberg, 24 Prozent in Sachsen-Anhalt.
Zehn Monate vor der Bundestagswahl ist das aber nicht die einzige Baustelle für Merkel: Auch die Union war schon mal eine fester zusammengeschweißte Einheit, als sie es jetzt ist. Innerhalb ihrer CDU haben sich konservative Kreise gebildet, die offen gegen Merkels Kurs opponieren - allerdings stellten sich hier CDU-Präsidium und Bundesvorstand einmütig hinter Merkels erneute Kandidatur. Vor allem aber die bayerische CSU hat sich vehement gegen die Flüchtlingspolitik Merkels gestellt.
Kanzlerin der politischen Mitte
Nun hat die CSU auf zurückhaltende Art und Weise Einverständnis mit Merkels Kandidatur gezeigt. "Wir wollen jetzt für weitere vier Jahre das Vertrauen der Bevölkerung. Deshalb ist es für heute gut, dass jetzt Klarheit herrscht", sagte CSU-Chef Horst Seehofer. Damit ist aber noch nicht klar, wie weit er Merkel im Wahlkampf den Rücken stärken wird.
Merkel hat die CDU derart in die Mitte gerückt, dass nun selbst auf Bundesebene für die Grünen eine schwarz-grüne Koalition denkbar ist. Ihre Partei hat sich unter der Physikerin derart verwandelt, dass es der SPD schwerfällt, gegen die CDU Kontur zu gewinnen. Die SPD will nun die soziale Frage in den Mittelpunkt ihres Wahlkampfs stellen. Wen sie ins Rennen gegen Merkel schickt, darüber will die SPD laut der Agentur Reuters, die sich auf Parteikreise bezieht, im Jänner entscheiden. Im Gespräch sind demnach der derzeitige Vorsitzende Sigmar Gabriel als auch der Präsident des Europaparlaments, Martin Schulz.
So sehr Merkel die Union geöffnet hat, so sehr droht ihr Kurs konservative Stammwähler zu vergraulen, warnen parteiinterne Kritiker. Wie Merkel nun ein möglich breites Spektrum an Wählern anziehen will, darüber geben jüngste Wortspenden und der Entwurf eines CDU-Leitantrages für den Parteitag am 6. Dezember Auskunft. Aus dem Entwurf zitierten bereits deutsche Medien, etwa die "Süddeutsche Zeitung".
Merkel bleibt dabei eine standhafte Verteidigerin liberaler Werte. Gleichzeitig ist die CDU um Grenzziehungen bemüht, will den Ängsten, mit denen die AfD operiert, entgegentreten. Beispiel Asylpolitik: Es wird keine Obergrenze geben, doch will man nun Rückführungen abgelehnter Asylwerber verstärken und dafür sorgen, dass es nie wieder einen derartigen Andrang von Flüchtlingen wie im Herbst 2015 gibt. Beispiel Islam: Die Ausübung des moslemischen Glaubens sei in Deutschland "willkommen und geschützt". Moscheen, in denen Hass gepredigt wird, sollen aber geschlossen werden.
Zudem will man Wähler durch finanzpolitische Maßnahmen gewinnen. So sollen mittlere und untere Einkommen, insbesondere von Familien mit Kindern, entlastet werden. Eine Maßnahme, die wohl auf Wähler der AfD und auch der Linken abzielt, die sich zurückgelassen fühlen.
Bei der letzen Bundestags-Wahl 2013 hatte Merkel derartige Zustimmungswerte, dass ihr Wahlsieg fast schon ein Selbstläufer war. Das ist diesmal anders - und die CDU scheint nun auch entsprechend offensiver agieren zu wollen.