Während der Industrieanlagenbauer VAI um seine Zukunft bangt, diskutiert Oberösterreich seine Chancen als Standort.
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Linz. Die Debatte über den Industrie-Standort Österreich ist am Dienstag wieder dorthin zurückgekehrt, wo sie ihren Ausgang genommen hat. Bei einem Symposium des oberösterreichischen Landtags wurde am Gelände der Voestalpine über starke Regionen und globale Chancen, also über den Standort Österreich diskutiert. Für die Außenhandelsbilanz Österreichs spielt Oberösterreich eine wesentliche Rolle, schließlich kommt ein Viertel aller österreichischen Exporte aus diesem Bundesland.
Dass die Diskussion am Voestalpine-Gelände geführt wurde, wenige Wochen nachdem Voestalpine-Chef Wolfgang Eder den Standort wegen der Steuerbelastung und Umweltauflagen in Frage gestellt und damit die Debatte losgetreten hatte, war übrigens Zufall. Das Symposium war seit Monaten geplant. Bei aller Aktualität könnten die Inhalte aber schon am Mittwoch von der aktuellen Entwicklung in unmittelbarer Umgebung überholt sein.
Denn direkter Nachbar der Voestalpine ist in Linz Siemens VAI, die Industrieanlagenbausparte von Siemens. Die VAI war einst Teil der VA Tech, seit neun Jahren ist das Unternehmen Teil von Siemens. Das könnte sich aber bald ändern, denn eben am heutigen Mittwoch gibt Siemens-Chef Joe Kaeser die Zukunftspläne des Gesamtkonzerns bekannt. Ein Verkauf der VAI gilt als wahrscheinlich, laut Zeitungsberichten geht die Sparte an den japanischen Mischkonzern Mitsubishi. Damit wäre auch die Zukunft des Standorts Linz, an dem aktuell 1600 Mitarbeiter beschäftigt sind, in Frage gestellt.
Gebundene Politikerhände
Die Entwicklung rund um Siemens zeigt, dass die Politik in Sachen Standortwahl der Unternehmen weitgehend auf Instrumente wie Symposien und gute Stimmung beschränkt ist. "Unser Aktionsradius ist nicht sehr groß", sagte Oberösterreichs Wirtschaftslandesrat Michael Strugl, als die VAI-Verkaufspläne von Siemens bekannt wurden. Am Dienstag, während der Landtag sein Symposium zum Standort abhielt, goss Strugl seine Machtlosigkeit gemeinsam mit Landeshauptmann Josef Pühringer in einer Presseaussendung noch einmal in Worte.
"Als Kompetenzzentrum hat Linz viel Know-how zu bieten und ist international wettbewerbsfähig. Davon wollen wir auch den künftigen neuen Eigentümer überzeugen und so rasch wie möglich Gespräche mit ihm aufnehmen, um den Headquarter-Standort abzusichern", kündigten die beiden ÖVP-Politiker an.
Das Schicksal der VAI wurde beim Landtags-Symposium mit keinem Wort erwähnt. Zwischen den Zeilen war die Siemens-Sparte allerdings sehr wohl Thema. "Es macht einen Unterschied, ob sich der Hauptaktionär eines Unternehmens in diesem Land befindet oder nicht", sagte etwa der Chef und Hauptaktionär des oberösterreichischen Motorradherstellers KTM, der Industrielle Stefan Pierer. Die Leidensfähigkeit sei im Heimatland größer als anderswo, glaubt Pierer.
Beim Verkauf der VAI durch Siemens geht es jedoch weniger um mangelnde Leidensfähigkeit oder eine Reaktion auf Veränderungen am Standort sondern um strategische Überlegungen in einem Riesen-Unternehmen. Dem steht die Politik machtlos gegenüber.
Etwas anders ist das bei den Rahmenbedingungen. Diese standen am Anfang der Standortzweifel von Voestalpine-Chef Eder und wurden am Dienstag auch von seinem Vorstandskollegen Herbert Eibensteiner angesprochen. Ein Voestalpine-Werk, das aktuell in Corpus Christi (USA) gebaut wird, wäre in Österreich vor allem in Sachen Energiekosten wesentlich teurer. Mit 80 Millionen Euro jährlich beziffert Eibensteiner die Ersparnis für die Voestalpine. Umweltauflagen würden nur eine untergeordnete Rolle spielen.
Wesentlich eindringlicher als ein Eingreifen bei den Umweltauflagen forderten die Industrie-Vertreter Investitionen in Bildung und Infrastruktur. KTM-Chef Pierer ließ mit einer Ansage in Richtung Vermögenssteuer aufhorchen. "Warum ist Kapital geringer besteuert als Arbeit?", fragte er. Es sei angesichts der Steuerlast zu schwierig geworden, sich etwas zu erarbeiten. Um eine Entlastung der Steuern auf Arbeit zu finanzieren, kann er sich eine Vermögenssteuer vorstellen.
Signale eines Strukturwandels?
Auch wenn man bei allen Einschränkungen und Diskussionen einen anderen Eindruck bekommen könnte, ruft der Standort Oberösterreich immer noch Interesse hervor. Erst vergangene Woche konnte Wirtschafts-Landesrat Strugl eine Betriebsansiedlung verkünden. Das IT-Unternehmen S&T siedelte seine Konzernzentrale mit 350 Mitarbeitern in Linz an. "Die Gehaltskosten in Österreich zählen zu den weltweit höchsten, aber das ist nicht allein entscheidend. Eine Preisspirale nach unten wird nicht zum Erfolg führen. Wir dürfen deshalb nicht günstigere, sondern müssen bessere Produkte anbieten", sagte S&T-Vorstandschef Hannes Niederhauser anlässlich der Entscheidung. Das kann die VAI-Mitarbeiter, die aktuell um ihren Job zittern, nicht beruhigen, vielleicht sind die parallelen Entwicklungen aber Ausdruck eines generellen Strukturwandels.