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Die Steirer auf dem Abstellgleis

Von Wolfgang Zaunbauer

Politik
In der ÖVP stehen die Steirer derzeit etwas im Regen.
© © BARBARA GINDL

Volkspartei fast völlig von Ober- und vor allem Niederösterreich dominiert.


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Wien. Der ÖVP geht es derzeit nicht so gut. Die Partei kommt aus dem Umfragetief nicht heraus und wird den ihr anhaftenden Korruptionsnimbus nicht mehr los. Da passt es nicht wirklich, auch noch intern zu streiten. Daher sagt es kaum einer laut, aber die Steirer sind richtig angefressen. Seit dem gerüchteumwitterten Rücktritt von Bauernbundobmann Fritz Grillitsch sind sie in der Parteiführung kaum mehr vertreten. Nur Justizministerin Beatrix Karl hält die steirische Fahne noch hoch.

Einer, dem das besonders sauer aufstößt, ist Christopher Drexler, Klubobmann der Volkspartei im steirischen Landtag. Er spricht von einer "Intrige" innerhalb der ÖVP. Südlich des Semmerings fühlen sich viele systematisch ausgebootet. Tatsächlich macht es den Anschein, als seien die Steirer bei Postenvergaben in den vergangenen Monaten gezielt übergangen worden. Angefangen beim Parteiobmann: Hier galt der Grazer Bürgermeister Siegfried Nagl durchaus als ernstzunehmende Alternative. Geworden ist es der Niederösterreicher Michael Spindelegger. Dafür sollte Drexler Generalsekretär werden. Im Gegenzug sollte Reinhold Lopatka als Staatssekretär ausscheiden, da sonst mit Karl, Drexler und ihm gleich drei Steirer in führenden Positionen wären. Drexler wurde nicht Generalsekretär, Lopatka musste trotzdem gehen.

Auch als ein Nachfolger für Spindelegger als ÖAAB-Chef gesucht wurde, kam die Steiermark nicht zum Zug, obwohl sie mit Lopatka und Karl gleich zwei Kandidaten ins Rennen schickte. Geworden ist es die Niederösterreicherin Johanna Mikl-Leitner.

Zuletzt ging in der Vorwoche auch noch der Bauernbund verloren - an den Oberösterreicher Jakob Auer. Wieso Grillitsch ging - einerseits soll er im Bauernbund keinen Rückhalt mehr gehabt haben, andere sprechen davon, dass er der steirischen ÖVP-Spitze zu ehrgeizig geworden ist - bleibt offen. Tatsache ist, dass auch hier kein Steirer zum Zug kam.

Und die Demontage könnte lustig weitergehen. Gerüchten zufolge soll die Ablösung von Landwirtschaftskammerpräsident Gerhard Wlodkowski, einem Steirer, durch Hermann Schultes - richtig, aus Niederösterreich - so gut wie fix sein.

"Verniederösterreicherung"

Dass die Steirer in der ÖVP auf verlorenem Posten stehen, sieht auch Politikexperte Thomas Hofer so: "Das ist ein evidenter, schrittweiser Bedeutungsverlust." Das war freilich nicht immer so. Noch unter Wolfgang Schüssel stellte man einen Minister, den Generalsekretär und den Bauernbundchef.

Unter Spindelegger kämpfen die Steirer um den Anschluss. Allerdings offensichtlich erfolglos. Hofers Erklärung: "Andere Länderorganisationen und Machtblöcke bemühen sich sehr strategisch um solche Machtpositionen." Vor allem die Nieder- und Oberösterreicher werden in der Volkspartei immer mächtiger. Von einer "Verniederösterreicherung" ist immer wieder die Rede.

Für Lopatka spiegelt die aktuelle Situation die Stärke der jeweiligen Landesgruppen wider. Tatsächlich sitzen in Linz und St. Pölten die schwarzen Landesfürsten fest im Sattel, während sich die steirische ÖVP unter Hermann Schützenhöfer als Juniorpartner in einer Koalition mit der SPÖ verdingen muss. Es ist also ein ungleiches Match vor allem zwischen Landeshauptmann Erwin Pröll in Niederösterreich und Schützenhöfer, der halt nur Landeshauptmann-Stellvertreter ist. Und Pröll weiß seine Macht einzusetzen. Das geht so weit, dass es die steirische Nationalratsabgeordnete Ridi Steibl "schon bedenklich" findet, "wie ein niederösterreichischer Landespolitiker vergisst, dass es neben Niederösterreich auch noch Oberösterreich und die Steiermark gibt".

Klubobmann Karlheinz Kopf sieht hingegen "sicher keine bewusste Schlechterbehandlung der Steirer". Es mache "keinen Sinn, ständig darüber zu diskutieren, ob drei Steirer, vier Burgenländer oder fünf Vorarlberger in der Regierung sitzen". Schließlich sei es das gute Recht eines jeden Parteichefs, seine Mannschaft selbst zusammenzustellen. Er setzt auf Kommunikation mit den Landesgruppen. Tatsächlich hatte sich das Verhältnis seit dem Frühsommer, als die Steirer auf offenen Konfrontationskurs gingen, zuletzt wieder verbessert. Dann kam die Sache mit Grillitsch.

Reinhold Lopatka will das Ganze "nicht überbewerten. Wir waren auch schon schwächer. Außerdem: Wir haben eine Ministerin, die steirische SPÖ ist überhaupt nicht in der Bundesregierung vertreten."

Laut Politikexperte Hofer ist eine solche Situation für die ÖVP nicht ungefährlich. Wenn sich die Steirer ständig übervorteilt sehen, könnten sie eine Justament-Haltung einnehmen und sich ganz auf ihre Landesebene zurückziehen. "Für die Bundespartei könnte das zu einem Mobilisierungsproblem werden", so Hofer.

Steirisches Biedermeier

Tatsächlich ist so etwas wie ein steirisches Biedermeier spürbar. Mit wem man auch redet, alle sprechen nur von der "Reformpartnerschaft" auf Landesebene. "Das ist das, was die Funktionäre in erster Linie beschäftigt", sagt Nationalratsmandatar Thomas Eiwallner. Von der Bundespolitik werde eigentlich nur erwartet, dass sie die restlichen zwei Jahre der Legislaturperiode durcharbeitet. Auch für Bernd Schönegger, ein weiterer von insgesamt acht steirischen ÖVPlern im Nationalrat, steht die "Reformpartnerschaft im Vordergrund". Ob die steirische ÖVP damit als Juniorpartner einer Koalition reüssieren kann, ist allerdings fraglich.

Es bleibt immer noch die Hoffnung auf bessere Zeiten. So sieht Justizministerin Karl ihr derzeitiges Dasein als einzige Steirerin in führender Position innerhalb der ÖVP nur als "vorübergehende Phase". Auch Nationalratsabgeordnete Adelheid Fürntrath-Moretti ist zuversichtlich. "Vielleicht kommt ja bald eine Versteirerung", sagt sie mit einem Augenzwinkern.