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Die Stellung der Türkei in Europa ist ambivalent

Von Heike Hausensteiner

Europaarchiv

Die Türkei drängt in die EU. In der NATO ist sie bereits Mitglied - was das Land dazu nützt, um Druck auf die EU zu machen. Denn beim Aufbau der schnellen Eingreiftruppe möchte die Union auf NATO-Ressourcen zurückgreifen. Der Vorwurf des Völkermordes dürfte die Beziehungen der Türkei zur EU zusätzlich belasten.


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Bei den Menschenrechten müsste es Verbesserungen geben, forderte die EU, als sie die Türkei im Dezember 1999 in Helsinki endlich als Kandidat akzeptierte und in eine "Beitrittspartnerschaft" aufnahm. Bis Ende dieses Jahres sollte die Meinungsfreiheit gestärkt, die Folter gestoppt, die Unabhängigkeit der Justiz gesichert und kurdisches Fernsehen freigegeben werden. Bis 2004 sollte weiters die Todesstrafe abgeschafft und der Einfluss des Militärs auf die Politik eingeschränkt werden.

Regierungskrise

In einem "Nationalen Programm" sollte die Regierung verbindlich darlegen, wann und wie sie die Reformen als Voraussetzung zu einem EU-Beitritt verwirklichen will. Doch im Jänner vertagte die Koalition die Beschlussfassung Reformprogramms auf unbestimmte Zeit.

Einen Monat später bricht wegen der Bekämpfung der Korruption eine Regierungskrise aus: Der Streit zwischen Regierungschef Bülent Ecevit und Staatspräsident Ahmed Necdet Sezer führt zu Turbulenzen an den türkischen Finanzmärkten, die Landeswährung Lira stürzt ab. Die Finanzkrise sei kein Hindernis im Streben nach einer EU-Mitgliedschaft, versicherte Erweiterungskommissar Günter Verheugen.

Kann die Türkei EU-Truppe blockieren?

Beim Vorhaben der EU, bis 2003 eine 60.000 Mann starke Eingreiftruppe aufzubauen, will die Türkei schon jetzt mitreden. Wiewohl sich vor allem Frankreich von der US-dominierten NATO emanzipieren will, betont die EU, die Eingreiftruppe solle den europäischen Pfeiler der NATO stärken. Ein Übereinkommen soll der EU den Zugriff auf NATO-Planungskapazitäten erlauben (das Zentrum der NATO ist in der Nähe von Brüssel angesiedelt). Doch dagegen wehrt sich die Türkei. Ob die Türkei über die NATO als Hintertür in die EU kommt, darf angezweifelt werden.

Vorwurf Völkermord

Schwere Spannungen gibt es mit Frankreich, nachdem im Jänner ein Gesetz zur Anerkennung des türkischen Völkermordes an den Armeniern im Ersten Weltkrieg verabschiedet wurde. Am 13. März wird auch die Schweiz über ein solches Gesetz abstimmen. Die Türkei sorgt sich indes, dass weitere EU-Länder nachziehen könnten. Im österreichischen Nationalrat haben bereits die Grünen einen Antrag auf Anerkennung des Armenier-Völkermordes gestellt. Nationalratspräsident Heinz Fischer wurde eine diesbezügliche Petition übergeben.