Die Sozialdemokraten firmieren künftig wieder unter dem Banner Sozialisten - zumindest im EU-Parlament.
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Preisfrage ohne Preis: Wofür steht das Kürzel S&D? Sie tippen auf eine Bank oder einen US-Börsenindex? Weit gefehlt. Und sollten Sie jetzt bei Google Rat suchen, so spuckt die Internetsuchmaschine auf der ersten Seite zahlreiche Ergebnisse zur Homepage von Spybot-S&D aus, einer Software zum Schutz der Privatsphäre am Computer. S&D steht in diesem Fall übrigens für "search&destroy" ("suche&zerstöre").
Tatsächlich aber steht S&D für Sozialisten&Demokraten und ist die neue offizielle Bezeichnung der zweitstärksten Fraktion im EU-Parlament, früher bekannt auch unter dem Namen SPE, die Sozialdemokratische Partei Europas.
Die gibt es zwar noch immer als Zusammenschluss diverser europäischer Sozialdemokraten und Sozialisten, allerdings nur noch als Partei, nicht als Fraktion. Die heißt ab jetzt eben S&D.
Und das kam so: Die italienische Partito Democratico wollte partout nicht in eine Fraktion eintreten, die das Sozialistische als untrennbaren Bestandteil mit im Namen führt. Und die SPE-Parteien wollte unbedingt die Italo-Demokraten - einen Zusammenschluss von Sozialisten mit links-liberal-grünen Gruppen - in ihrer Fraktion dabei haben, bringen diese doch immerhin 21 zusätzliche Abgeordnete mit ein.
Also machten sich alle Beteiligten auf die mühsame Suche nach einem Kompromiss, erläutert S&D-Vizepräsident Hannes Swoboda. Dabei waren die Italiener übrigens nicht die Einzigen die sich gegen die Bezeichnung "Sozialdemokraten" wehrten: Auch die Franzosen sehen sich selbst noch immer als Sozialisten (Parti Socialiste) und sind stolz darauf.
Von Sozialisten oder auch Sozis ist in Österreich eigentlich nur die Rede, wenn ÖVP-Generalsekretäre diverse SPÖ-Politiker ärgern wollen. 1991 nämlich änderte die SPÖ unter Franz Vranitzky ihren Namen in Sozialdemokratische Partei Österreichs. Damit knüpfte sie zumindest namenstechnisch an den Einigungsparteitag 1888/89 in Hainfeld an, aus dem die Sozialdemokratische Arbeiterpartei hervorgegangen war. Erst 1945 wurde die SPÖ als Sozialistische Partei Österreichs aus der Taufe gehoben - und auch dieser Name war einem Kompromiss geschuldet, um die Sozialdemokraten und die Revolutionären Sozialisten zu vereinen.
In der neuen Fraktion, vor allem unter Sozialdemokraten, herrscht keineswegs einhellige Freude über den neuen Namen, bestätigt Swoboda. Möglicherweise handle es sich bei S&D auch nur um einen vorläufigen Kompromiss. Allerdings schränkte Swoboda seine diesbezüglichen Hoffnungen gleich wieder ein angesichts der ebenfalls diskutierten Alternativen: Eine SDE-Fraktion wollte nämlich auch keiner haben - das Kürzel erinnere zu sehr an die einstige DDR-Kaderpartei SED.
Andererseits habe es sich auf europäischer Ebene längst eingebürgert, von Sozialisten zu sprechen, wo Sozialdemokraten mitgemeint seien - ohne jeden negativen Beigeschmack, wie Swoboda ausdrücklich betont.
Die ÖVP wird sich trotzdem bestätigt fühlen.