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Die Stimme des Volkes

Von Mathias Ziegler

Wirtschaft

Jeder Staatsbürger kann als Laienrichter verpflichtet werden. | Verdienstentgang wird von Republik | refundiert. | Wien. Als die vorsitzende Richterin Claudia Bandion-Ortner am Mittwoch den 54. Verhandlungstag im Bawag-Prozess am Wiener Landesgericht beendete, hat sie damit eine sechswöchige Verschnaufpause eingeleitet - auch für die beiden Schöffinnen und ihren Ersatzmann. Seit nunmehr viereinhalb Monaten sitzen sie im Gerichtssaal statt an ihrem Arbeitsplatz.


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Dass die beiden Damen - eine rückte im Oktober für die entlassene Petra Zadrazil nach - ausgerechnet diesen Riesenprozess erwischt haben, war reiner Zufall. Wer als Schöffe verpflichtet wird (siehe Kasten), "wird streng ausgelost, und es gibt auch keine Freiwilligmeldungen", sagt Landesgerichtssprecherin Alexandra Mathes. Den Gerichten wird alle zwei Jahre ein Auszug aus dem Melderegister zugeschickt, aus dem sie dann blind Kandidaten ziehen.

"Dadurch kann man als Richter auch vorher nicht ausloten, mit wem man es zu tun hat - es steht ja nur ein Name auf dem Papier", erzählt Werner Zinkl. Der Präsident der Richtervereinigung hat Erfahrung mit Laienrichtern, "und die war eigentlich immer ganz gut". Wichtig sei, dass die Schöffen über den Prozess ausreichend informiert sind, vor allem bei komplizierteren Sachverhalten.

Seine Kollegin Bandion-Ortner hingegen musste eine Schöffin mitten im laufenden Verfahren entlassen: Petra Zadrazil, deren Urteil schon nach wenigen Verhandlungstagen festzustehen schien, wurde von der Pflicht entbunden, weil ihre eidlich geschworene Unbefangenheit nicht mehr sichergestellt war. Angesichts der Tatsache, dass die Stimme der einzelnen Laien genauso viel Gewicht hat wie jene der Berufsrichter, stellte das natürlich eine Gefahr für den Prozess dar.

Ein fast anonymer Dienst für den Staat

Generell sind die Richter aber zufrieden mit den Schöffen. "Es ist ohnehin eine Überwindung für viele Privatpersonen, diese Bürgerpflicht zu erfüllen", weiß Zinkl. Finanzielle Einbußen bringt der tage- oder gar wochenlange Dienst nicht mit sich: Selbständigen bzw. Arbeitgebern, die ihre Angestellten freistellen, aber deren Gehalt weiter zahlen müssen, refundiert die Republik die dadurch entstehenden Kosten.

Und es gibt auch noch ein weiteres Entgegenkommen an die Laienrichter. Sie werden laut stillschweigendem Übereinkommen in den Medien nicht namentlich genannt. Zinkl: "Das würde sonst noch mehr Leute abschrecken."

+++ Wissen: Schöffen