AUA-Partnersuche: "Richtiger Zeitpunkt wurde versäumt." | Neues Stahlwerk: Standortentscheidung könnte länger dauern. | Heftige Kritik an EU-Schwenk der SPÖ. | "Wiener Zeitung":Wir befinden uns derzeit im Wahlkampf und diskutieren gleichzeitig die weitere Privatisierung wichtiger Unternehmen wie AUA und Telekom Austria. Als Voestalpine-Chef haben Sie ja einige Erfahrung mit Privatisierung während Wahlkampfzeiten.
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Wolfgang Eder: Grundsätzlich habe ich höchst angenehme Erinnerungen an die Privatisierung. Die angenehmste an den 31. August 2005, als die ÖIAG die letzte Aktie verkauft hat. Ich habe den größeren Teil meines Berufslebens in einer verstaatlichten Voestalpine verbracht, und ich hatte das Vergnügen in den letzten Jahren eine vollständig privatisierte Voestalpine zu erleben. Die Freiheit des Unternehmens, des Unternehmertums, das Können der Mitarbeiter ohne irgendwelche politischen Rücksichtnahmen wirklich nutzen zu können, das ist eine andere Liga. Ich muss sagen: Beides probiert, kein Vergleich.
Die AUA macht aber nicht deshalb Verluste, weil die Politik dem Management dauernd dreingepfuscht hätte.
Bei Privatisierungen gilt es immer, das langfristige Ziel des Unternehmens und den Weg dorthin zu definieren. Das kann der Weg ohne einen Partner in die Freiheit sein . . .
. . . wie es bei der Voest alpine der Fall und der Wunsch des Managements war.
Wie es bei uns war. Da wurde akzeptiert, dass wir stark genug sind, um eigenständig eine internationale Marktposition zu erreichen.
Bei der AUA ist das allerdings offensichtlich nicht der Fall und bei der Telekom vermutlich auch nicht.
Bei der Telekom und den Austrian Airlines wird eine langfristig erfolgreiche Entwicklung vermutlich nur möglich sein, wenn man sich an einen Partner anlehnt. Und da muss man die Bedingungen definieren, die man an einen Partner stellt.
Oft ist es allerdings auch eine Frage des richtigen Zeitpunkts für eine Partnersuche.
Das ist richtig. Mein Eindruck ist, dass man bei der AUA diesbezüglich sehr lange die Augen vor der Realität verschlossen hat - vielleicht, um aus einem falsch verstandenen Nationalstolz die rot-weiß-rote Heckflosse zu sichern.
Trifft das auch auf AUA-Chef Alfred Ötsch zu, der noch im Februar gemeint hat, die AUA sei saniert und brauche keinen Partner.
Ich möchte niemandem nahe treten, aber der sehr kurzfristig erfolgte Schwenk vom Weg der absoluten Selbständigkeit zur Anlehnung an einen Partner erscheint von außen betrachtet tatsächlich sehr überraschend. Ein Vorstandsvorsitzender sollte durchaus hin und wieder das Rückgrat haben, eine Meinung zu vertreten, die nicht jener des Eigentümers entspricht.
Das wurde bei der AUA versäumt?
Man hätte vermutlich bereits vor sechs oder sieben Jahren entsprechende Überlegungen anstellen müssen. Damals hätte man eine ganz andere Verhandlungsbasis gehabt. Jetzt ist es fünf vor zwölf, wenn nicht schon fünf nach zwölf Uhr.
Ich glaube, Politik und Management haben sich damals davon einlullen lassen, dass die Österreicher die AUA als nationales Symbol sehen, und die langfristigen betriebswirtschaftlichen Erfordernisse unterschätzt.
Dieser Wunsch, dass die AUA selbständig bleiben soll, wurde aber auch von vielen der größeren heimischen Unternehmen geteilt, weil die Sorge bestand, dass das umfangreiche osteuropäische Streckennetz der AUA als Folge der Anlehnung an einen Partner ausgedünnt werden könnte.
Vor sechs oder sieben Jahren hätte man bei einer Partnersuche ganz andere Bedingungen stellen können, das Streckennetz zum größten Teil zu erhalten. Heute ist die AUA wahrscheinlich nicht mehr in der Position, solche Forderungen zu stellen.
Aber was ist die Alternative: Wenn die AUA als eigenständige Fluggesellschaft aus wirtschaftlichen Gründen über die nächsten Jahre einen geordneten Rückzug antritt, dann bleibt am Ende keine einzige Strecke mehr übrig. Wenn man sich, was ich für absolut richtig halte, einen Partner sucht, dann wird hoffentlich zumindest ein Teil des Streckennetzes gesichert.
Das Ergebnis wird sehr stark vom Verhandlungsgeschick abhängen. Das gesamte Netz in seinem derzeitigen Umfang zu erhalten, ist aber vermutlich eine Illusion.
Wie schätzen Sie diesbezüglich die Situation bei der Telekom Austria ein?
Dort hat man meiner Einschätzung nach rechtzeitig begonnen, sich Gedanken über den langfristigen Zukunftsweg zu machen. Und man wird sich allfällige Partner sehr genau ansehen. In Wahrheit sind AUA und Telekom aber gar keine so delikaten Privatisierungskandidaten, weil die Optionen relativ klar auf dem Tisch liegen. Die langfristig wahrscheinlich schwierigere Frage ist, was mit Unternehmen wie der ÖBB oder der Asfinag geschehen soll.
Sie befürworten eine Privatisierung der ÖBB?
Man sollte sich unbedingt mit dem Thema befassen. Österreich ist allerdings ungeeignet für radikale Schritte. Bei uns können in solchen Frage nur evolutionäre Prozesse Erfolg haben - was ich manchmal bedaure, weil ich mir gelegentlich durchaus ein wenig mehr revolutionäre Radikalität wünschen würde.
Wie könnten die ersten Schritte einer ÖBB-Privatisierung aussehen? Sollte ein Aktienpaket der ÖBB-Holding verkauft werden oder Anteile an einem der drei großen Bereiche Infrastruktur, Personenverkehr oder Güterverkehr?
Die Holding zu privatisieren wird nicht möglich sein, denn da hängen die Pensionsverpflichtungen dran. Am schnellsten privatisierbar ist sicherlich der Güterbereich, der auch das größte Zukunftspotenzial hat, wenn man das mit einem Internationalisierungsschritt verbindet. Da gibt es strategisch unheimlich viel Fantasie. Logistik ist das Geheimnis des Erfolges der Zukunft.
Und was soll mit Personenverkehr und Infrastruktur geschehen?
Die Infrastruktur wird sicher nie privatisierungsfähig sein. Die muss gegen eine Benutzungsgebühr zur Verfügung gestellt werden. Aber die Gebühren werden, ähnlich wie bei der Straßenbenutzung, vermutlich nie kostendeckend sein können. Da wird der Staat immer einen gewissen Beitrag leisten müssen. Und der Personenverkehr wird bis zu einer Privatisierung sicher erheblich länger benötigen als der Frachtbereich und auch eine im Vergleich zu heute deutlich stärkere internationale Vernetzung brauchen. Aber jeder Schritt in Richtung Privatisierung wäre positiv, weil er den politischen Einfluss zurückdrängt.
Ist es aber nicht eine Illusion, dass sich ein Infrastrukturunternehmen wie die ÖBB je dem politischen Einfluss entziehen könne wird?
Natürlich wird bei der ÖBB nie eine ganz puristische Betrachtungsweise Platz greifen können. Jedes Unternehmen ab einer gewissen Größe ist ein politischer Faktor - egal ob es die Rolle als großer Arbeitgeber betrifft oder den Einfluss der Umweltgesetzgebung.
Aber wenn es private Aktionäre gibt, dann hat das Management in jedem Fall größeren Handlungsspielraum, da ihre Interessen nicht einfach ignoriert werden können. Dann ist es wahrscheinlich nicht mehr ganz so einfach, dass sich irgendein Landeshauptmann einen Tunnel wünscht und ihn auch prompt bekommt.
Die Voestalpine will ein neues Stahlwerk zu bauen, für das vier Standorte in Erwägung sind: Bulgarien, Rumänien, die Ukraine und die Türkei. Welchen Einfluss haben die umweltgesetzlichen Rahmenbedingungen auf die Standortwahl?
Die Umweltgesetzgebung auf europäischer Ebene wird möglicherweise das entscheidende Kriterium für die Standortwahl sein. Wir schauen gebannt nach Brüssel, wo in diesem Herbst einige grundlegende Entscheidungen betreffend Emissionsgrenzwerte fallen werden.
Wenn es tatsächlich so sein sollte, dass Standorte in EU-Mitgliedsstaaten gegenüber solchen außerhalb der Union pönalisiert werden, dann werden wir uns gegen einen EU-Standort entscheiden müssen. Wir zahlen heuer bereits 40 Millionen Euro für jene CO2-Emissionen, die nicht durch Gratiszertifikate abgedeckt sind. Das ist der höchste Betrag, den ein europäisches Stahlunternehmen zahlt. Und bis 2012 wird er vermutlich auf 100 Millionen steigen.
Warum zahlt ausgerechnet die Voestalpine den höchsten Betrag? Es gibt doch deutlich größere Stahlwerke in Europa, die erheblich mehr CO 2 ausstoßen? *
Wir müssen zwischen 16 und 17 Prozent der Zertifikate zukaufen. Die nächsthöchste Quote haben die Finnen mit 8 bis 9 Prozent, bei allen anderen ist es in der Größenordnung von maximal 2 Prozent. Das bedeutet, dass Wettbewerber, die viel größer als wir sind, trotzdem weniger zahlen.
Warum erhält die Voest alpine so wenige Emissionszertifikate?
Die Ursache liegt in den Kyoto-Zielen und jenen 13 Prozent Reduktion der CO2-Emissionen, zu denen sich Österreich damals - meiner Meinung nach aus übertriebenem Ehrgeiz - verpflichtet hat.
Für die Entscheidung, ein neues Stahlwerk am Schwarzen Meer zu bauen, waren aber nicht die Emissionszertifikate, sondern die Marktchancen des neuen Standorts ausschlaggebend.
Das ist richtig. Treiber für die grundsätzliche Entscheidung war der Markt - und das Faktum, dass wir in Linz schlichtweg keinen Platz mehr haben. Aber wenn uns die EU mit überzogenen Umweltauflagen zwingt, einen Standort außerhalb der EU zu wählen, dann scheiden Bulgarien und Rumänien für uns eben aus und die EU verliert potenzielle Arbeitsplätze.
Zwar gibt es seitens der Kommission gewisse Anzeichen, dass die neuen EU-Regelungen in eine vernünftigere Richtung gehen und die technologisch jeweils besten Anlagen in den einzelnen Industrien als Ausgangsbasis nehmen, aber es könnte sein, dass die EU länger als bis zum Jahresende braucht, um über die künftigen Rahmenbedingungen zu entscheiden. Daher fürchte ich, dass wir wissen werden, wie unser neues Werk im Detail ausschauen wird und was die Errichtung kostet, bevor wir die Standortentscheidung treffen können.
Sowohl die Türkei als auch die Ukraine suchen aber doch die Annäherung an die EU. Bis zu einem allfälligen Beitritt wird es zwar vermutlich noch einige Zeit dauern, aber wenn ein Beitritt erfolgt, gelten dort dann irgendwann die gleichen Emissionsstandards.
Das ist richtig. Wir gewinnen aber vermutlich zumindest 10 oder 15 Jahre Zeit.
Die Voest-Aktie hat seit Sommer letzten Jahres mehr als die Hälfte ihres Wertes verloren und der Kurs sackt wöchentlich tiefer. Wie lange hält dieser Trend noch an?
Ich habe es aus Selbstschutz aufgegeben, mich zu ärgern. Es ist unglaublich frustrierend zu sehen, wie die Aktie eines Unternehmens, das von Quartal zu Quartal neue Rekordergebnisse ausweist, von Quartal zu Quartal an Wert verliert.
Sind die Konjunkturaussichten für die Stahlindustrie tatsächlich so schlecht?
Ich glaube nicht, dass es daran liegt. Wir haben vielmehr Grund zur Annahme, dass mindestens ein großer amerikanischer Fonds, der sich in Problemen befindet, gezwungen ist abzuverkaufen. Wir wissen, dass sich ein großer europäischer Fonds entschieden ha, auszusteigen. Das bedeutet: Ein erheblicher Teil unserer Aktien wurde verkauft. Das ist wohl ein zweistelliger Prozentsatz. Dazu kommt die generell schlechte Stimmung an den Börsen.
Sind die Verkäufe dieser Fonds schon abgeschlossen?
Der größte Teil davon dürfte bereits über die Bühne sein. Ob die Transaktionen schon zur Gänze abgeschlossen sind, wissen wir allerdings nicht.
Wie beurteilt der Chef eines großen Unternehmens den aktuellen Wahlkampf?
Ich kann eine gewisse Besorgnis nicht verhehlen. Ich will gar nicht davon reden, dass das Wort "Sparen" im gesamten Wahlkampf nicht einmal mehr am Rande vorkommt und damit nicht zuletzt die Zukunft unserer Jugend aufs Spiel gesetzt wird. Vor allem erscheint mir die populistisch-opportunistische Stimmung im Land - insbesondere in der Politik - ausgeprägter als je zuvor.
Sie meinen das Schreiben von Leserbriefen an Boulevardzeitungen?
Der EU-Schwenk der SPÖ, die sich in den vergangenen 50 Jahren immer als staatstragende Partei verstanden hat, bedeutet, dass sich die SPÖ auf ein Niveau mit der deutschen Linkspartei und mit Parteien am rechten Rand stellt.
Ich halte das für enorm bedenklich und unglaublich ernüchternd. Ich stelle mir in diesem Zusammenhang die Frage, wo denn eigentlich die Grenzen des Populismus liegen.
Zur Person:Wolfgang Eder wurde am 5. Februar 1952 im oberösterreichischen Steinbach am Attersee und studierte in Salzburg Rechtswissenschaften. Während des Studiums war er als Assistent am Institut für österreichisches und internationales Handels- und Wirtschaftsrecht der Universität Salzburg tätig.
Nach dem Studium absolvierte Eder das Gerichtsjahr in Salzburg und arbeitete dann am Imas-Institut in Linz. 1978 wechselte er zur Rechtsabteilung der damaligen Voest-Alpine AG. In der Folge übernahm Eder die Leitung der Abteilung "Konzern- und Beteiligungsangelegenheiten".
1991 wurde er zum Generalsekretär und 1995 zum Vorstandsmitglied berufen und war maßgeblich für die erfolgreiche Börseneinführung des Stahlkonzerns mitverantwortlich.
2001 wurde Eder zum stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden und 2004 - als Nachfolger des wegen einer Insider-Trading-Affäre zum Ausscheiden gezwungenen Franz Struzl - zum Generaldirektor der nunmehrigen Voestalpine AG berufen.