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Die Stunde der Diplomaten

Von Arian Faal

Politik

Catherine Ashton und Sergej Lawrow lenkten die Verhandlungen.


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Nach zehn Jahren wurde im Atomstreit zwischen Teheran und dem Westen wg ein auf sechs Monate begrenztes Abkommen erzielt: Der Iran fährt etwa die Urananreicherung von 20 auf fünf Prozent zurück, erlaubt der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) zusätzliche Kontrollen der Anlagen und erhält dafür eine Lockerung der schmerzhaften Wirtschaftssanktionen.

Die Reaktionen sind erwartungsgemäß unterschiedlich: Teheran jubelt über "einen historischen Tag in Genf" - Israel warnt die Welt vor einem "schlechten Abkommen". Dass aber bei der sogenannte "Genf 3-Konferenz" letztlich doch noch ein Konsens erzielt werden konnte, der fast alle Seiten zufriedenstellt, war keineswegs klar. Von einer "Hochschaubahnfahrt bis zuletzt" sprachen westliche Diplomaten. Hinter den Kulissen waren der russische Außenminister Sergej Lawrow und die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton, die für die fünf UN-Vetomächte Frankreich, Russland, China, Großbritannien und die USA plus Deutschland verhandelte, für den Erfolg mitverantwortlich.

Nachdem es bereits die dritte Verhandlungsrunde in Genf innerhalb kürzester Zeit war und schon beim zweiten Treffen die Außenminister der 5+1 letztlich ohne einen Durchbruch hinzugezogen wurden, war der Druck, der auf alle lastete, enorm. Der iranische Präsident Hassan Rohani und sein US-Kollege Barack Obama brauchten den Erfolg, um ihre Position gegen die Hardliner im eigenen Land zu stärken. Knackpunkt der fast fünftägigen Verhandlungen war letztlich die Formulierung, ob im Abkommen explizit stehen soll, dass der Iran das prinzipielle Recht auf Urananreicherung hat - was nun laut US-Angaben nicht der Fall ist. Als die Gespräche deshalb zu scheitern drohten, reagierte Ashton prompt und kontaktierte Lawrow. Bereits beim zweiten Treffen hatte sie US-Außenminister John Kerry um eine sofortige Anreise gebeten.

Lawrow, der einen ausgezeichneten Draht zu Teheran hat, so der Hintergedanke, könnte als "Mediator" fungieren und den Stein zur Einigung ins Rollen bringen. Mit der Anreise Lawrows war klar, dass das Treffen erneut schnell zur "Causa Prima" avancieren würde. Prompt reisten alle Chefdiplomaten an. Lawrow warnte seine Außenministerkollegen vor einem neuerlichen Scheitern der Gespräche und wies darauf hin, dass der nun endlich in Bewegung gekommene Prozess einen folgenschweren Dämpfer erleiden würde, wenn man erneut "mit leeren Händen" nach Hause fliege.

Noch ein Faktor hat letztlich das Eis gebrochen: Bei schwierigen Verhandlungen kommt es neben der sachlichen und inhaltlichen Ebene immer auch auf die persönliche Harmonie zwischen den Verhandlern an. Der iranische Außenminister Mohammad Javad Zarif und Ashton können menschlich viel besser miteinander, als Ashton mit Zarifs Vorgänger als Chefverhandler, Saeed Jalili auskam. Zudem genießt Zarif unter den 5+1 Außenministern den Ruf eines harten, aber fairen Verhandlers und ausgezeichneten Diplomaten, der lösungsorientiert arbeitet.

"Jalili wollte uns seine Meinung aufzwingen und predigte stundenlang, wie wertvoll die iranische Kultur und Geschichte nicht sei. Zarif hingegen ist sehr geschickt im Umgang mit der Materie und respektiert die Meinung anderer und kann auch zuhören", lobte ein europäischer Diplomat den iranischen Chefverhandler.

Lawrow war auch der erste, der dem Iran nach dem Abkommen Rosen streute. "Wir sind überzeugt, dass der Iran vertrauensvoll mit der Behörde zusammenarbeiten wird", sagt Lawrow in Genf. In dieselbe Kerbe schlug sein chinesischer Amtskollege Wang Yi. Er wertete die Vereinbarung als wichtigen Beitrag für "Frieden und Stabilität im Nahen Osten". Mit der heutigen Einigung ist dem Iran im Konflikt ein Etappensieg gelungen, den Israel als "historischen Fehler" bezeichnet. Nun liegt es an der Führung in Teheran, die vom Westen entgegengebrachten "Vorschuss-Lorbeeren" mit maximaler Transparenz hinsichtlich des Atomprogramms zu honorieren.