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Die Stunde der jungen Militärs

Von Klaus Huhold

Politik

Westafrika erlebt eine Reihe von Putschen. Das hat wiederum viel mit dem Kampf gegen islamistischen Terror zu tun.


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Putsche und Putschversuche gehören zu Guinea-Bissau wie der Kokainhandel. Das kleine westafrikanische Land mit rund zwei Millionen Einwohnern gilt als Umschlagplatz für den internationalen Drogenhandel und Hort der politischen Instabilität. Diese Woche gab es erneut einen Umsturzversuch, der aber offenbar gescheitert ist.

Nach rund fünfstündigen Gefechten sei eine Gruppe meuternder Soldaten niedergerungen worden, verkündete nun Präsident Umaro Sissoco Embalo. Auch "Personen im Zusammenhang mit dem Drogenhandel" könnten beteiligt gewesen sein. Die Aufständischen hätten ihn und die gesamte Regierung töten wollen.

Die Ereignisse in Guinea-Bissau fügen sich in die jüngste Entwicklung in Westafrika ein: Die Region wird gerade von einer Putschwelle überrollt - und die Mehrzahl der Staatsstreiche endet erfolgreich. In Mali, in Burkina Faso und in Guinea haben Militärs die Macht übernommen. Und während Guinea-Bissau immer schon ein eigenes Kapitel war, hängen die Umstürze in den drei anderen Ländern durchaus zusammen und sind auch von größerer geopolitischer Relevanz.

Umsturz in Mali sorgte offenbar für Dominoeffekt

Der Umsturz in Mali - dort ist das Militär seit August 2020 am Ruder, seit einem zweiten Putsch im Mai 2021 steht Oberst Assimi Goita an der Staatsspitze - scheint einen Dominoeffekt ausgelöst zu haben. Im September 2021 folge Guinea, wo mit Mamady Doumbuya ebenfalls ein Militär die Macht an sich riss. Und im Jänner dieses Jahres erlebten die Bürger von Burkina Faso, wie sich ihnen nach einer Besetzung der strategisch wichtigsten Punkte in der Hauptstadt Ouagadougou mit Paul-Henri Sandaogo Damida ein Armeeangehöriger im Fernsehen als neuer starker Mann präsentierte.

Die drei Putschisten vereint einiges: Sie sind mit um die 40 Jahre noch relativ jung und haben eine wesentlich ältere Generation an Politikern aus dem Amt gejagt. Zudem sind sie alle drei militärisch sehr gut ausgebildet, dienten zuvor in Eliteeinheiten und haben sich in Europa fortgebildet. Und sie sind mit großen Versprechen angetreten, die schon so viele Putschisten gegeben und nur wenige gehalten haben: Dass sie für mehr Sicherheit in ihren Ländern sorgen und zur Demokratie zurückkehren werden.

Die neuen Staatenlenker unterstützen sich nun offenbar gegenseitig. Das zeigte sich, als jüngst das westafrikanische Staatenbündnis Ecowas Sanktionen gegen Mali verhängte. Guinea machte nicht mit, womit der Binnenstaat Mali über die Häfen in dem Nachbarland weiter Waren, die auf den Seeweg nach Westafrika kommen, beziehen kann.

Gleichzeitig sind die Gründe für die Staatsstreiche in den einzelnen Ländern verschieden. In Guinea, einem der weltweit größten Lieferanten von Bauxit mit Hauptabnehmer China, scheint es sich vor allem um einen internen Machtkampf zu handeln. Präsident Alpha Conde wollte mit 83 Jahren noch die Verfassung umschreiben und sich so eine dritte Amtszeit ermöglichen. Daraufhin stellten ihn die Militärs unter Hausarrest.

In Mali und Burkina Faso wiederum haben die Staatsstreiche viel mit dem Kampf gegen den islamistischen Terror zu tun und strahlen damit auch nach Europa aus. In beiden Ländern ist die Sicherheitslage eine Katastrophe. In Mali werden Sicherheitskräfte und Ziviliten ständig von Milizen angegriffen. Und in Burkina Faso hat der Staat über weite Teile des Landes die Kontrolle verloren.

Sinnbild für die Hilflosigkeit der Behörden wurde dort ein Überfall von Islamisten auf einen Polizeiposten im Norden des Landes, bei dem 53 Polizisten getötet wurden. Die Polizisten hatten offenbar nicht genug Munition, um sich zu verteidigen, und ihre Hilferufe verhallten ungehört. Wie groß die Zustimmung zum Putsch ist, lässt sich schwer feststellen - aber auf alle Fälle gab es in Burkina Faso Jubelkundgebungen, weil viele vom jahrelangen Terror geplagte Bürger sich endlich mehr Sicherheit erhoffen.

Auch in Mali kam es zuletzt zu großen Demonstrationen - um die Putschregierung zu unterstützen. Dass Ecowas wegen der Verschiebung der Wahlen auf das Jahr 2025 Sanktionen ausgerufen hat, hat zu einem Schulterschluss zwischen weiten Teilen der Bevölkerung und dem Regime geführt, schreibt in einer Analyse das "Institute for Security Studies" (ISS).

Anstatt sich an Wahldaten festzuklammern, sollte lieber ein Dialog über nachhaltige Reformen geführt werden, fordert das ISS. Sonst drohen sich Fehler aus der Vergangenheit zu wiederholen: Da wurden zwar Wahlen abgehalten, aber die Institutionen funktionierten weiter nicht, was dem Ansehen der Demokratie in Mali sehr geschadet habe.

Frankreich in Bedrängnis, Chance für Russland

Jedenfalls tut sich der Westen schwer, wie er in Mali weiter verfahren soll. Das gilt vor allem für Frankreich, das einen internationalen Anti-Terror-Einsatz in Mali anführt. Frankreich hat den Putsch und die neuen Machthaber scharf kritisiert, diese wiederum bestehen darauf, dass sie selbst über den Anti-Terror-Kampf in ihrem Land bestimmen wollen. Der Konflikt gipfelte diese Woche darin, dass Mali in einem bisher einmaligen Akt den Botschafter der ehemaligen Kolonialmacht auswies.

Die Zukunft der EU-Ausbildungsmission steht somit in den Sternen. An dieser ist auch das österreichische Bundesheer mit 70 Soldaten beteiligt. Die EU stehe "vor einem echten Dilemma", meinte Verteidigungsministerin Klaudia Tanner nun gegenüber dem Online-Magazin "Politico". "Wenn die EU ihre Truppen abzieht, riskieren wir, ein Machtvakuum zu hinterlassen, das von anderen Akteuren gefüllt werden könnte", sagte Tanner.

Denn für einen Staat öffnet sich nun eine Tür: Russland. Malis Regierung hat offenbar Söldner der berüchtigten Truppe "Wagner" ins Land geholt. Russische Militärstrategen versprechen eine bessere Ausbildung im Anti-Terror-Kampf, als sie der Westen bieten könne. Dieser ist ebenso in Burkina Faso engagiert. Auch dort skandierten Demonstranten nun anti-französische Parolen und schwangen russische Flaggen.