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Die Stunde des Adam Smith

Von Christian Ortner

Gastkommentare
Christian Ortner.

Der Kapitalismus und seine Schwester, die Globalisierung, haben sich als das effizienteste Programm zur Armutsbekämpfung entpuppt, das es je gab.


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Gemessen daran, wie unglaublich erfreulich die Nachricht war, wurde sie in den hiesigen Medien eher verhalten rezipiert. Vom "schnellsten Rückgang der Armut in der Geschichte der Menschheit" berichtete nämlich am vergangenen Wochenende UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon. Zwischen 1990 und 2010, so hat die UNO berechnet, ist eine Milliarde Menschen aus der Armutszone (weniger als 1,25 Dollar Einkommen pro Tag) entkommen, ein in der Tat in der Menschheitsgeschichte einmaliger Vorgang.

Es ist hingegen ein an Bizarrheit kaum zu übertreffender Zufall, dass fast zur gleichen Zeit, da Ban die erfreulichen News publik machte, in Frankfurt und anderen europäischen Metropolen wieder einmal gegen die westliche Wirtschaftsordnung und ihre tragenden Prinzipien demonstriert wurde.

"Solidarität statt Kapitalismus" forderte da etwa die deutsche "Blockupy"-Bewegung auf ihren Transparenten.

Das ist insofern ziemlich skurril, als es ja genau jene von den Demonstranten zum Teufel gewünschte freie Marktwirtschaft war, die - zusammen mit ihrer Schwester, der ebenso übel beleumundeten Globalisierung - eine Milliarde Menschen aus Elend und Armut geholt hat. Weder Entwicklungshilfe noch die ehrwürdige UNO, weder "Internationale Solidarität" noch der "antiimperialistische Kampf", und schon gar Occupy, Blockupy und verwandte Gruppierungen haben das geschafft - sondern im Wesentlichen freier Handel, offene Märkte, das Gewinnstreben von hunderten Millionen unternehmerischer Menschen rund um die Welt. Ganz wie es der schottische Moralphilosoph Adam Smith vor zwei Jahrhunderten prophezeit hatte. Dass heute eine Milliarde Menschen weniger unter Armut leiden als 1990 kann man daher durchaus als enormen Erfolg des Kapitalismus beschreiben.

Wenn gleichzeitig in den entwickelten und etwas müde gewordenen Staaten des Westens Kapitalismuskritik immer mehr in Mode kommt, so mag das ja angesichts der Finanzkrise bis zu einem gewissen Grad erklärbar sein - eine auch nur annähernd funktionale Antithese zum Gegenstand ihrer Kritik haben die Kapitalismusgegner bisher noch nicht vorweisen können.

"Sie wollen Kapitalismus ohne Demokratie, wir wollen Demokratie ohne Kapitalismus", lautet einer der zentralen Slogans dieser Gruppierungen. Wer auch immer "Sie" in diesem Kontext sein mögen - was an die Stelle des Kapitalismus treten soll, haben uns dessen Gegner bisher nicht erläutern können oder wollen.

Für jene rund eine Milliarde Menschen, die vor allem in Afrika und Teilen Indiens auch heute noch in bitterer Armut verharren, wäre es freilich eine Katastrophe, setzten sich Blockupy & Co in größerem Maßstab durch. Denn auch die letzten noch verbliebenen Rückzugsgebiete der Armut werden hauptsächlich mit jenen Methoden bekämpft werden können, die schon in den beiden vergangenen Jahrzehnten erfolgreich waren. Sowohl die Menschen in Afrika als auch in Indien leiden unter mangelndem Zugang zu Märkten, zu wenig fairem Wettbewerb und jeder Menge von Monopolen und Oligopolen, mit denen sich eine kleptokratische Oberschicht die Taschen vollstopft.

Nicht "Demokratie ohne Kapitalismus" kann die noch verbliebene Armut auslöschen, sondern nur Demokratie und Kapitalismus.

ortner@wienerzeitung.at