Am Sonntag finden in Serbien vorgezogene Wahlen statt. Der Wahlsieg des Premierministers scheint sicher.
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Belgrad. "Entweder bist Du für die Vergangenheit oder aber für die Zukunft" - so lautet eine Wahlparole des serbischen Premiers Aleksandar Vucic. Die Zukunft, das ist freilich er selbst. Kompromisse werde es nicht geben, ließ er im Wahlkampf wissen - und schloss eine Zusammenarbeit mit dem Ultranationalisten Vojislav Seselj aus. Zum dritten Mal in diesem Jahrzehnt - und nur zwei Jahre nach den letzten Neuwahlen - werden die Bürger des jüngsten EU-Beitrittskandidaten erneut an die Urnen gebeten. Mit der Begründung, dass seine Regierungskoalition ein weiteres Mandat für die Umsetzung ihres EU-Kurses bräuchte, kündigte Vucic Anfang des Jahres vorgezogene Wahlen an, die nun am 24. April zeitgleich mit 17 Gemeindewahlen über die Bühne gehen sollen.
Seit den Neuwahlen von 2014 hält Vucic das Land mit absoluter Mandatsmehrheit fest im Griff. Als verheißungsvoller Reformator katapultierte er sich an die Spitze der Regierung und versprach einen raschen Weg Richtung EU. Zwei Jahre später sollen nun sieben Millionen Wahlberechtigte über den Fortbestand seiner politischen Richtlinie bestimmen. Eines lässt sich schon im Vorhinein über die Zukunft Serbiens feststellen: Vucic bleibt ihr Wegweiser.
Vucic liegt bei 50 Prozent
Laut jüngsten Erhebungen darf die Serbische Fortschrittspartei (SNS) unter der Führung von Premier Vucic mit rund 50 Prozent der Stimmen rechnen. Ihr derzeitiger Koalitionspartner, die sozialistische SPS, liegt unverändert bei 12 Prozent. Ein Blick auf die zahlreichen Oppositionsparteien unterstreicht die Unmöglichkeit eines Machtwechsels am Sonntag. Die niederschmetternde Niederlage von 2014 sitzt ihnen noch tief in den Knochen. Mangel an Spendengeldern sowie das Versagen, als Bündnis aufzutreten, erschweren ihre Ausgangsposition. Deshalb bewegen sich Alternativen, wie die ehemalige Regierungspartei Demokratische Partei DS, nach wie vor im einstelligen Prozentbereich. Einen Stimmenzuwachs können einzig die Ultranationalisten der SRS erwarten, die sich seit dem Freispruch von Vojislav Seselj vor dem internationalen Strafgericht in Den Haag steigender Beliebtheit erfreut und erstmals seit 2012 wieder ins Parlament einziehen könnte.
Mit Blick auf diese ernüchternde Lage ist der Sinn einer Neuauflage umso fragwürdiger. Doch in retrospektiver Betrachtung lässt sich ein Muster erkennen, das in Serbiens turbulenter politischer Entwicklung nicht ungewöhnlich ist.
Denn vorgezogene Parlamentswahlen sind kein unübliches populistisches Instrument in der politischen Geschichte der jungen Republik. Seit 1990 wurde die serbische Bevölkerung bereits sieben Mal zu Neuwahlen aufgefordert. Auch wenn diese nicht immer die erwarteten Resultate brachten - wie 2000 den Sturz Slobodan Milosevics oder 2012 den Rücktritt von Boris Tadic - kann sich Aleksandar Vucic diesmal seines Sieges sicher sein.
Mediale Omnipräsenz, großzügige finanzielle Ressourcen und der Mangel an parteipolitischen Alternativen haben den Wahlkampf längst für die Serbische Fortschrittspartei entschieden. Hinzu kommt, dass die Marke Vucic auch über nationale Grenzen hinweg funktioniert.
In den Augen der Europäischen Union gilt er als treibender Motor für Serbiens Weg in die Mitgliedschaft. Er genießt Anerkennung und Unterstützung, nicht zuletzt weil es ihm gelungen ist die Begriffe "Fortschritt" und "Zukunft" unweigerlich mit seinem Namen zu verbinden. Die Aussage ist glasklar: Wer sich nicht für Vucic entschließt, wählt den Rückschritt. Dieser Wahlslogan zeigt seine Wirkung. Insofern wird ein Sieg am Sonntag nicht nur seine nationale, sondern auch die internationale Legimität weiter festigen.
Unzufriedenheit wächst
Auch wenn der Triumph des amtierenden Premiers am Sonntag unausweichlich scheint, warnen Wahlbeobachter vor einem Anstieg an ungültigen Stimmen, die laut jüngsten Statistiken bis zu fünf Prozent betragen könnten. Dieses Phänomen zeichnete sich bereits bei den Parlamentswahlen 2012 ab, als serbische Intellektuelle zum "Weiß-Wählen" aufriefen, um auf den Mangel an demokratischer Vielfalt im Land aufmerksam zu machen.
Seit 2012 hat sich nicht viel geändert. Zwar sprießen neue Parteien wie Pilze aus dem Boden, allerdings kann keine von ihnen ein großes Publikum ansprechen. Deshalb wächst die politische Unzufriedenheit in der Bevölkerung, was wiederum den Zuwachs an ungültigen Stimmen erklärt. Sollten die fünf Prozent tatsächlich erreicht werden, handelt es sich um die höchste Anzahl an annullierten Stimmen, die ein europäisches Land in den letzten Jahrzehnten verbucht hat. Ein trauriger Rekord, der den Wahlerfolg von SNS jedoch nicht trüben wird. Die Stunde des Aleksandar Vucic, dem wohl einzigen Gewinner in der serbischen Politiklandschaft, hat geschlagen.