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Die Suche nach dem Euro-Star

Von Simon Rosner

Politik

Die Furcht der Regierungsparteien vor Rang drei hinter der neu erstarkten FPÖ.


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Wien. Aus der Perspektive zweier einst stimmenstarker Parteien dürfte der Mai seinem Ruf als Wonnemonat nicht gerecht werden. Am 25. Mai wählen die Österreicherinnen und Österreicher ihre Vertreter zum Europäischen Parlament, und zumindest derzeit sieht es danach aus, als würden sich SPÖ und ÖVP eher um Platz drei als um Platz eins bewerben. Würden sich gar beide Regierungsparteien hinter der FPÖ einreihen, hätte das kaum absehbare Folgen für die Koalition.

"Es wäre für beide wirklich fatal", sagt Politikberater Thomas Hofer. "Es wäre nicht nur ein Schlag in die parteipolitische Magengrube, sondern hätte auch Symbolkraft und wäre wohl eine Zerreißprobe." Die ÖVP hat 30 Prozent und Platz eins von den Wahlen 2009 zu verteidigen, was allein angesichts des Antretens der Neos nicht zu halten sein wird. Vermutlich hätte schon ein Rückfall auf den zweiten Rang für die selbstdeklarierte Europapartei Nachwehen, zumal es innerparteilich schon einmal harmonischer zuging als dieser Tage.

Dass die steirische Volkspartei in einer nicht akkordierten Pressekonferenz vor Weihnachten einen wählbaren Listenplatz für Beatrix Karl einforderte, ist nur ein Beleg für die derzeit angespannte Situation. Parteichef Michael Spindelegger wird um Karl nicht herum kommen, als ausgewiesene Europarechts-Expertin ist sie aber erstens qualifiziert für einen Sitz im EU-Parlament und zweitens als ehemalige Justizministerin auch ein bekanntes Gesicht.

Spitzenkandidat wird aber Othmar Karas sein, darauf hat sich Spindelegger bereits vor Wochen festgelegt. Allerdings hatte der Parteichef keine andere Wahl, da es offenbar schon sehr konkret war, dass Karas entweder für die Neos oder mit seinem "Bürgerforum Europa" ins Rennen gegangen wäre, hätte ihm Spindelegger den ersten Listenplatz verwehrt.

Vor fünf Jahren war dies bereits der Fall, als sich Karas plötzlich auf der Liste hinter Ex-Innenminister Ernst Strasser fand, wofür er sich mit 112.954 Vorzugsstimmen revanchierte. Seit damals gilt sein Verhältnis zur Bundespartei - und ganz besonders zu Spindelegger - als überaus getrübt. Als Gegner bei einer EU-Wahl wäre Karas aber jedenfalls das größere Übel.

Leichtfrieds Problem

Tatsächlich dürfte die Streitkandidatur Strasser-Karas der ÖVP am Wahltag sogar genützt haben, da der Vorzugsstimmenwahlkampf mobilisierend wirkte. Die eigene Klientel am 25. Mai ins Wahllokal zu bringen, wird für beide Regierungsparteien auch entscheidend sein. Gerade bei EU-Wahlen dürfte dies für die SPÖ aber noch schwieriger sein. "Da hat die SPÖ enorme Herausforderungen zu stemmen", sagt Hofer. Vor fünf Jahren holte die SPÖ 23,7 Prozent, verlor dabei aber fast zehn Prozentpunkte oder auch 150.000 Stimmen.

Ein dritter Rang, vielleicht sogar unter der 20-Prozent-Marke, wäre für die SPÖ das Schreckensszenario schlechthin, weshalb es in der Partei offenbar Tendenzen gibt, ein prominentes Schwergewicht ins Rennen zu schicken. Schließlich könnte es auf den Stockerlplätzen am 25. Mai knapper zugehen als bei der diesjährigen Vierschanzentournee, und eine bekannte und beliebte Persönlichkeit wäre jedenfalls ein Argument für ein paar leicht verdiente Stimmen. Bei dieser Suche gibt es jedoch ein fundamentales Problem für die SPÖ: die Auswahl.

Hannes Swoboda, der seit dem Beitritt Österreichs 1995 dem EU-Parlament angehört und es bis zum Vorsitzenden der europäischen Sozialdemokraten gebracht hat, wird nicht mehr kandidieren. Allerdings war Swoboda, ähnlich wie Karas in der ÖVP, innerhalb seiner Bundespartei nicht immer so wohlgelitten, dass seine Spitzenposition in Brüssel sakrosankt gewesen wäre. Vor fünf Jahren suchte die SPÖ auch eifrig einen anderen Kandidaten, um dann doch nur Swoboda zu finden.

Ähnlich könnte es auch diesmal sein. Jörg Leichtfried ist Delegationsleiter und wird jedenfalls wieder ins EU-Parlament einziehen, unklar ist aber, auf welcher Position. Formal ist er als Delegationsleiter derzeit über Evelyn Regner gereiht, doch die Wienerin kommt aus der Gewerkschaft, was in einem Wahlkampf, in dem es für die SPÖ vor allem um Mobilisierung geht, kein Nachteil wäre. Zudem ist Leichtfried aus der steirischen SPÖ, die sich gerade genüsslich mit der Bundespartei anlegt, weshalb es den einen oder anderen in Wien danach gelüstet, eben keinen Steirer auf den ersten Listenplatz reihen.

Kein Quereinsteiger

In den kommenden zwei Wochen wird bei der SPÖ die Entscheidung fallen, was Hofer als "eher spät" bezeichnet. Da mangels Alternativen mit Leichtfried oder eben Regner zu rechnen sein wird, benötigt es Zeit, diese in Österreich weitgehend unbekannten Politiker bekannt zu machen. Oder die SPÖ findet doch noch ihren Promi. "Den Wunderwuzzi sehe ich jedenfalls nicht", sagt Politikberater Hofer.

Mit Quereinsteigern hatte die SPÖ zudem nicht gerade die besten Erfahrungen gemacht. 1999 bemühte man sich zwar um Wolfgang Petritsch, doch der damals als EU-Vermittler in Bosnien engagierte Diplomat winkte ab, woraufhin die SPÖ ein paar Wochen später Hans-Peter Martin aus dem Hut zauberte. Es sollte ein historischer Irrtum der Partei werden.

Allerdings hat Martin vor fünf Jahren als Dritter mit 17,7 Prozent nicht unwesentlich dazu beigetragen, dass die FPÖ nicht über 12,7 Prozent hinausgekommen ist. Ein derartiger Erfolg scheint für Martin diesmal unrealistisch, sein Antreten ist zudem noch nicht einmal fix. Auch das Team Stronach hat sich noch nicht deklariert. Verzichten beide Parteien, die mit der FPÖ gemeinsam um Proteststimmen kämpfen würden, wäre die Situation für die beiden Koalitionsparteien ÖVP und SPÖ noch dramatischer.

Die Suche nach den Kandidaten

(zaw) In der ÖVP ist schon seit Dezember klar, dass Othmar Karas Spitzenkandidat für die Europawahl 2014 wird. Erst im Februar wird sich entscheiden, wer dahinter die wählbaren Plätze einnehmen wird. Beatrix Karl hat beste Karten auf den zweiten Platz, ihre Absicht erneut zu kandidieren, haben zudem Paul Rübig, Elisabeth Köstinger und Heinz Becker bereits geäußert. Und mehr als fünf Sitze sind realistischerweise nicht drin.

Die SPÖ ist auf der Suche nach einer bekannten und beliebten Persönlichkeit, steht aber unter Zeitdruck. Vor allem, wenn die Wahl doch auf den jetzigen Delegationsleiter Jörg Leichtfried oder auf Evelyn Regner fallen sollte, die in Österreich weitgehend unbekannt sind. Lediglich Hannes Swoboda hat seinen Rückzug bekanntgegeben.

Für die Grünen wird wieder Ulrike Lunacek ins Rennen gehen, so wurde es am Bundeskongress im Dezember beschlossen. Hinter ihr wählte die Basis Michel Reimon und Monika Vana auf den zweiten und dritten Platz, das Feld von hinten aufrollen will jedoch Madeleine Petrovic (Platz fünf) mit einem Vorzugsstimmenwahlkampf. Inoffiziell zum Ärger der Partei, offiziell werden nun alle um Vorzugsstimmen kämpfen.

Mit einer Doppelspitze will die FPÖ in den EU-Wahlkampf ziehen: Laut "Presse" wird das Andreas Mölzer und Harald Vilimsky sein. Mölzer sitzt bereits seit 2004 im EU-Parlament, Vilimsky ist Generalsekretär. Formell wird der Parteivorstand am Donnerstag darüber entscheiden, auch die Wiener Landtagsabgeordnete Barbara Kappel (einst Büroleiterin von Nationalratspräsident Thomas Prinzhorn) ist im Gespräch, drei Sitze sind für die FPÖ realistisch, vier eine Möglichkeit.

Die Neos befinden sich gerade in der ersten Phase der Vorwahl. 55 Personen haben sich beworben, darunter die Nationalratsabgeordnete Angelika Mlinar und Angelika Werthmann, die derzeit auf einem Ticket von Hans-Peter Martin im EU-Parlament sitzt. Bis zum 7. Februar kann jeder nach einer kostenpflichtigen Registrierung (10 Euro) eine Stimme abgeben. Dieses öffentliche Votum geht mit der Gewichtung von einem Drittel in die Gesamtabstimmung über die Kandidaten ein, Vorstand und Mitglieder haben in eigenen Abstimmungen ebenfalls das Gewicht von einem Drittel.

Unklar ist, ob das Team Stronach an der EU-Wahl teilnehmen wird. Das hängt davon ab, ob Parteigründer Frank Stronach Geld für eine Kampagne zur Verfügung stellt. Er kommt um den 20. Jänner nach Österreich. Als Kandidat hatte sich schon vor Monaten Bernd Nachbaur, der Vater von Klubchefin Kathrin Nachbaur, ins Gespräch gebracht.

Auch bei Hans-Peter Martin ist nicht geklärt, ob er tatsächlich wieder antreten wird. 2009 war er - dank Unterstützung der Kronenzeitung - auf Rang drei.

Über Umwege kam Ewald Stadler ins EU-Parlament. Dort will der Ex-FPÖler und Ex-BZÖler auch bleiben und tritt dafür mit einer eigens gegründeten Partei an: "Die Reformkonservativen - Rekos".