)
Die Wiener Forscherin Alice Assinger untersucht die Vorhersagemöglichkeit von Covid-19-Verläufen.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 3 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Vor allem im Osten des Landes sind die Spitäler zurzeit mit Covid-19-Patienten überfüllt. Operationen müssen verschoben werden, in Intensivstationen stehen kaum noch Betten zur Verfügung. Ein mit dem Coronavirus Sars-CoV-2 Infizierter kann einen relativ langwierigen, auch schwerwiegenden, Krankheitsverlauf haben, was einen langen Krankenhausaufenthalt zur Folge hat. Vorhersagen, wie sich dieser entwickelt, sind bereits möglich. Einige Parameter, wie sie in der Klinik erhoben werden, können auf günstigere oder schlechtere Verläufe hindeuten, allerdings nicht sehr genau. Den Ärzten fehlt damit eine Entscheidungsgrundlage, wann sie ihren Patienten, mitunter auch frühzeitig, entlassen können.
Alice Assinger vom Institut für Gefäßbiologie und Thromboseforschung des Zentrums für Physiologie und Pharmakologie der Medizinischen Universität Wien, ist drauf und dran, einen Biomarker zu finden, der Krankheitsverläufe verlässlich vorhersehen lässt. Ein solcher würde nicht nur die Lage der Patienten verbessern, sondern auch den Spitalsalltag entlasten. Im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" skizziert die Naturwissenschafterin ihre Forschungen, für die sie erst jüngst vom Wissenschaftsfonds FWF im Rahmen der Sars-CoV-2-Akutförderung finanzielle Unterstützung erhalten hat.
mikroRNAs im Visier
Es gibt bestimmte Parameter wie den Entzündungswert C-reaktives Protein (CRP), den Kreatininwert, der die Nierenfunktion widerspiegelt, die Anzahl der Blutplättchen (Thrombozyten), aber auch das Alter, die bei Covid-19 eine große Rolle spielen. Mit relativer Genauigkeit lässt sich mittlerweile schon in den ersten vier Tagen feststellen, welchen Verlauf eine Infektion nehmen wird, erklärt Assinger. Seit Jänner kann von Spitalsärzten das von dem Wissenschafterteam entwickelte ACCP-Tool (Age+C-reacitve protein+Creatinine+Platelet) angewendet werden, das via Online-Rechner die entsprechenden Ergebnisse liefert.
An einer noch früheren Vorhersage über den Krankheitsverlauf wird derzeit geforscht, auch ist unklar, ob sich bei Mutationen das gleiche Verhalten zeigt.
Die Forscherin versucht nun im Rahmen einer internationalen Zusammenarbeit, im Blut zirkulierende Biomarker zu finden, wo sich der Krankheitsverlauf ablesen lässt. Im Visier stehen die mikroRNAs. Diese Bausteine spielen eine wichtige Rolle im komplexen Netzwerk der Genregulation. Sie bestimmen, wie die Zellen ihre Proteine generieren, und entscheiden darüber hinaus, wie die Zelle funktioniert.
Diese mikroRNAs sind im Blut des Menschen an sogenannte Lipide - Fettkügelchen - gebunden und geben Informationen von Zelle zu Zelle weiter. "Nur mit wenigen Tropfen Blut können wir Informationen, die zum Beispiel ein bestimmtes Organ abgegeben hat, nachweisen", erklärt Assinger.
Entlastung der Spitäler
Gelungen ist dies bereits in einem anderen Projekt, "wo wir uns das Regenerationspotenzial der Leber angesehen haben". Im Jahr 2019 hat es das Wissenschafterteam geschafft, tatsächlich einen aussagekräftigen Biomarker zu finden, der diese Frage beantworten kann. Ob sich die Leber gut regenerieren kann, ist vor allem für Tumorpatienten wichtig, denen ein Teil des Organs im Zuge einer Operation entfernt werden musste.
Eine bestimmte mikroRNA als Biomarker für Covid-19 haben die Forscher derzeit noch nicht im Visier. "Wir schauen uns den gesamten Pool an mikroRNAs an, vergleichen diese bei Patienten mit schwerem und leichtem Verlauf und filtern dann die Unterschiede heraus."
Schon seit Beginn der Corona-Pandemie erforscht Alice Assinger neue Biomarker und arbeitet eng mit der Klinik Favoriten, der Medizinischen Universität Innsbruck, der Johannes Kepler Universität Linz und dem Karolinska-Universitätskrankenhaus in Stockholm zusammen. Auch Birmingham ist mittlerweile als Forschungsstätte mit an Bord. Eine verlässliche Prognose könnte nicht nur dazu beitragen, dass Patienten noch individueller versorgt werden können, sondern auch dazu, dass in den Krankenhäusern wieder Betten früher frei werden.
Zumindest sei diese Herangehensweise für Österreich eine plausible. Schweden, wo die Bettenkapazität pro Kopf eine wesentlich geringere ist als hierzulande, verfolgt das gleiche Ziel - allerdings mit anderen Vorzeichen. Dort soll mit Hilfe eines aussagekräftigen Biomarkers schon im Vorfeld die Entscheidung erleichtert werden können, ob ein Patient überhaupt in ein Krankenhaus muss oder die Infektion auch zu Hause auskurieren kann.
"Wir hoffen, mit unseren Forschungen auch mehr über die Krankheit selbst zu erfahren. Dieses Wissen könnte letzten Endes auch zu neuen Behandlungsmethoden führen", sagt Assinger.