)
Am Freitag startet zum letzten Mal in der Geschichte ein Space Shuttle. | wohin sich die Raumfahrt danach entwickelt, steht in vielen Bereichen tatsächlich in den Sternen.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 13 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Cape Canaveral. Früher war da immer dieses Gefühl von Euphorie. Die ersehnte Erlösung, wenn das Grollen der Triebwerke nach dem oft stundenlangen Warten von der drei Kilometer entfernten Startrampe zur Besuchertribüne herübergetragen wurde. Und das Gefühl von Größe. Der Start eines Space Shuttles - der kompliziertesten jemals gebauten Maschine, wie die US-Raumfahrtbehörde Nasa noch immer gern betont - einte die Nation und ließ einen an den unerschütterlichen amerikanischen Pioniergeist glauben.
Doch diesmal ist es anders. Wenn die "Atlantis" am Freitag von der Startrampe 39 A abhebt, werden mit rund einer Million Menschen zwar deutlich mehr Besucher da sein als bei fast allen anderen Shuttle-Starts der Geschichte. Doch das Gefühl, das schon seit Tagen Cape Canaveral beherrscht, ist Melancholie. Der Flug der "Atlantis" zur Internationalen Raumstation ISS ist die letzte All-Mission der Space Shuttles, die nach 30-jährigem Betrieb nun endgültig eingemottet werden. An der "Space Coast", jener Region im Osten Floridas, die fast sechzig Jahre lang gut von der Raumfahrt gelebt hat, werden Modell-Raketen und andere Weltraum-Souvenirs deshalb schon jetzt zum Diskontpreis abgegeben.
Dass die Zukunft einmal ebenso strahlend sein wird wie die Vergangenheit glauben nach dem Auslaufen des Shuttle-Programms hier nicht einmal die unverbesserlichsten Optimisten. Fast 10.000 Arbeitsplätze gehen am Kennedy Space Center verloren, im Umland von Cape Canaveral dürften es nochmals halb so viele sein. Und das große, einen neuen Aufschwung verheißende Nachfolgeprojekt ist auch nicht mehr klar in Sicht.
Ab 2035 zum Mars
2004 hatte das noch anders ausgesehen. Damals hatte der seinerzeitige US-Präsident George W. Bush das Ziel ausgegeben, bis 2020 wieder einen Amerikaner auf den Mond schicken zu wollen und ein entsprechendes Raketen-Programm in Auftrag gegeben. 2010 strich sein Nachfolger Barack Obama das Constellation-Programm wegen der Wirtschaftskrise und der ausufernden Kriegskosten jedoch kurzerhand von der Agenda der Raumfahrtbehörde. Zu teuer und mit den derzeitigen Budgetmitteln nicht umsetzbar, argumentierte Obama.
Stattdessen verordnete der Präsident der Nasa eine grundlegende Neuorientierung. Die Raumfahrtbehörde soll sich auf die Grundlagenforschung konzentrieren und Konzepte für die bemannte Landung auf einem Asteroiden (ab 2025) und dem Mars (ab 2035) erarbeiten. Die nach Ausmusterung der Space Shuttles entstehende Lücke soll hingegen die private Raumfahrtindustrie schließen. Nach einer Anlaufphase könnte die Nasa dort Leistungen zukaufen, etwa den Transport von Astronauten zur ISS oder die Beförderung von Satelliten. Erst Mitte April machte die Nasa 270 Millionen Dollar als Anschubfinanzierung für die vier vielversprechendsten Weltraum-Start-Ups locker.
Für viele Raumfahrtveteranen ist das alles freilich eine Schmach. Auf die Hilfe von anderen angewiesen zu sein, um in den Weltraum zu kommen, kam in der einst stolzen Nasa jahrzehntelang dem Undenkbaren gleich. Und dass es bis zur Einsatzreife der Privaten ausgerechnet die Russen mit ihren lang gedienten und verlässlichen Sojus-Kapseln sein werden, die US-Astronauten in den Orbit mitnehmen, macht die Sache nicht besser. Zumal viele arrivierte Nasa-Mitarbeiter nicht davon ausgehen, dass die Privatraketen - so wie angekündigt - schon 2016 ins All starten können. Sie rechnen eher mit 2018 oder 2020.
Doch die kommerziellen Weltraumunternehmen sind mittlerweile viel weiter gekommen, als viele das noch vor ein oder zwei Jahren für möglich gehalten hätten. Im Dezember 2010 hob mit der "Dragon"-Kapsel des kalifornischen Unternehmens SpaceX erstmals ein privates Raumschiff ins Weltall ab. Die von einer "Falcon 9"-Trägerrakete in den Orbit gebrachte Kapsel umkreiste damals zwei Mal die Erde und landete anschließend per Fallschirm sicher im Pazifik. Noch heuer will SpaceX eine unbemannte Versorgungsmission zur ISS unternehmen, einen 1,6 Milliarden Dollar schweren Rahmenvertrag mit der Nasa über 12 Flüge ins All hat die Firma bereits seit längerem in der Tasche. Bis 2014 will man schließlich erstmals einen Menschen in den Weltraum befördern.
Der Mann, der hinter SpaceX steht, will aber noch weiter hinaus. "Wir werden den ganzen Weg bis zum Mars gehen", sagt der gebürtige Südafrikaner Elon Musk. "Im besten Fall sind wir in zehn Jahren dort, im schlechtesten Fall in 15 bis 20 Jahren." In den Ohren der meisten Raumfahrt-Veteranen klingt ein Marslandungstermin, der vier bis sieben Jahren vor dem der Nasa liegt, freilich absurd. Doch Musk, der den Internetbezahldienst Paypal mitentwickelt hat und damit reich wurde, hat schon bisher ein Händchen für Zukunftstechnologien bewiesen. Unter anderem ist er einer der Begründer des Elektro-Autopioniers Tesla.
Geld und Pioniergeist
Männer mit ähnlich viel Pioniergeist und Selbstvertrauen stecken auch hinter zwei weiteren vielversprechenden Weltraumunternehmen. Blue Origin, von Amazon-Gründer Jeff Bezos im Jahr 2000 aus der Taufe gehoben, hat bereits vor einiger Zeit das Interesse der Nasa mit seinen Notfall- und Rettungssystemen für Raumkapseln geweckt. Bigelow Aerospace, gegründet vom millionenschweren Hotel-Entrepreneur Robert Bigelow, arbeitet derzeit an aufblasbaren Modulen, die Weltraumtouristen künftig eine vergleichsweise günstige Übernachtungsmöglichkeit im Orbit bieten sollen. Die Reise zu den Low-Cost-Raumstationen sollen dabei andere Weltraum-Start-Ups organisieren.
Auf jeden Fall steckt für die Weltraumunternehmen, die sich wohl nicht ausschließlich auf die Nasa als zahlenden Kunden verlassen wollen, viel Geld im All-Tourismus. 40 Millionen Dollar zahlten die abenteuerlustigen Millionäre, die bereits mit einer Sojus-Kapsel ins All geflogen sind. Und Virgin Galactic, das schon 2012 - für vergleichsweise bescheidene - 200.000 Dollar kurze Flüge in den Orbit anbieten will, hat nach eigenen Angaben bereits 340 Anmeldungen.
Von so viel Aufbruchsstimmung und Zuversicht kann die Nasa selbst nur träumen. Die Entwicklung der neuen Schwerlastrakete, mit deren Hilfe US-Astronauten zum Asteroidengürtel oder zum Mars vordringen sollen, scheint trotz der Integration der Vorarbeiten des Constellation-Programms derzeit in weite Ferne gerückt. Zwar tritt Nasa-Chef Charlie Bolden so knapp vor dem finalen Shuttle-Start häufig vor die US-Raumfahrtjournalisten, um zu erklären, dass beim geplanten Vordringen in die Tiefen des Alls alles auf Schiene ist, doch das klingt mehr nach Beschwichtigungsversuchen. Anfang des Jahres hatte die Nasa nämlich noch trocken mitgeteilt, dass das neue Projekt, bei dem sich die Raumkapsel wieder an der Spitze der Rakete befindet, angesichts der "derzeitigen Haushaltslage nicht bezahlbar" sei. Und dass internationale Partner aufspringen, um die gewaltigen Kosten im Rahmen von multinationalen Missionen zu stemmen, scheint auch nicht absehbar. Von den unendlichen Weiten des Weltraums scheinen derzeit also nur die Privaten zu träumen.