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Was steht wirklich im Voves-Konzept. | Wien.Franz Voves weiß, wie man Schlagzeilen produziert. Noch bevor sein Konzept für eine "Neue Europäische Wirtschaftspolitik (NEW)" offiziell präsentiert wurde - das unternimmt der steirische Landeshauptmann höchstselbst kommenden Donnerstag in Wien -, sorgen seine Forderungen für Turbulenzen.
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Die Debatte konzentriert sich auf die Frage einer höheren Besteuerung von Vermögen, andere Forderungen erhalten weniger Aufmerksamkeit. Formuliert wurde das 18-seitige Konzept neben Voves vom SPÖ-nahen Wirtschaftsforscher Markus Marterbauer und von Thomas Karasek (Büro Voves).
Ideengeschichtlich nimmt das Konzept die Suche nach einem Dritten Weg zwischen Kapitalismus und Kommunismus wieder auf, der in den 90er Jahren in Großbritannien und Deutschland zu einer Erneuerung der Sozialdemokratie führte. Doch anders als damals, als der Dritte Weg die Sozialdemokratie in Richtung Marktwirtschaft und Liberalisierung führte, soll nun die Reise zurück zu mehr Staat und Regulierung angetreten werden.
Bemerkenswert ist der europäische Bezug vieler Überlegungen, wurde doch insbesondere bei der SPÖ im Zweifelsfall die nationalstaatliche Autonomie stets hochgehalten. Unter der unmittelbaren Wucht der globalen Krise scheint dieses Primat des Nationalstaats endgültig passé.
Mehr Regulierung
Grundsätzlich sehen die Autoren zwei große Herausforderungen: Das sind die Rettung des Bankensystems und die Zurückführung der Institute zu ihrer primären Aufgabe ("das sind das Sammeln von Ersparnissen und die Kreditvergabe an die Investoren der Realwirtschaft") sowie die Bekämpfung der realwirtschaftlichen Krise unter besonderer Berücksichtigung der Arbeitslosigkeit.
Der Weg zu diesem Ziel führt nach Ansicht der Autoren über die Schaffung von Binnennachfrage: "85 Prozent der in der EU erzeugten Güter und Dienstleistungen werden auch wieder innerhalb des EU-Wirtschaftsraumes verbraucht. Damit bietet sich eine hervorragende Möglichkeit der Nachfragebelebung ohne Sickerverluste durch hohe Importe." Konkret werden hier folgende Maßnahmen gefordert:
* So viele Investitionen wie möglich vorziehen;
* Stabilitätspakt temporär aussetzen;
* Kreditvergabe der Europäischen Investitionsbank rasch ausweiten;
* großzügige Versorgung mit Liquidität und niedrigen Zinsen durch die EZB;
* bessere Koordination nationaler Maßnahmen durch eine gemeinsame europäische Wirtschaftspolitik;
* Verbesserung der Handlungsfähigkeit der EU durch eine EU-Reform.
Insgesamt sehen die Autoren die Krise auch als Chance, dass das europäische Wirtschafts- und Sozialmodell das US-Modell als Vorbild ablöst. Dies hält sie jedoch nicht davon ab, auch für Europa ein grundlegendes Umdenken einzufordern. Konkret wird ein neuer ordnungspolitischer Rahmen gefordert, der
* "den vielfältigen Formen des Marktversagens vorbeugt und Transparenz auf den Märkten herstellt;
* handlungsfähige wirtschaftspolitische Institutionen, die gesamtwirtschaftliche Interessen verfolgen, stärkt bzw. setzt;
* Mindeststandards in der Sozial-, Steuer-, Umwelt- und Technologiepolitik;
* die Sicherung der ausreichenden Versorgung der Bürger mit Dienstleistungen von allgemeinem Interesse (gesetzliches Festschreiben des Versorgungsauftrages) garantiert." Sollte dem nicht entsprochen werden, droht Re-Verstaatlichung, denn in diesem Fall "halten wir auch eine Rückführung in öffentliches Eigentum für gerechtfertigt".
Nachfrage stärken
Als große Defizite der EU bewerten die Autoren einen Mangel an Innovationskraft und die schwache Binnennachfrage - "gerade diese Aufgaben kann der unregulierte Binnenmarkt ganz offensichtlich nicht ausreichend erfüllen". Der Staat müsse deshalb "nachfragebedingte Konjunkturschwankungen durch expansive Politik (Investitionen in Infrastruktur)" ausgleichen und "für eine gerechte Verteilung des Wohlstands" sorgen.
Neue Wege werden auch beim Kampf gegen Arbeitslosigkeit eingemahnt. Statt die Probleme durch "schneller laufende Arbeitslose" zu lösen, müssten diese ins Zentrum der gesamten Wirtschaftspolitik gerückt werden. Unter anderem soll auch die Arbeitslosenhilfe erhöht werden.
Aus dem Platzen der Börsenblase wird eine Absage an am Kapitalmarkt orientierte Sicherungssysteme (Pensionen, Pflege) abgeleitet. Hier wird jedoch nicht am nationalen Primat gerüttelt. Neben der "Einführung nationaler bedarfsorientierter Mindestsicherungen, Mindestpensionen und Mindestlöhne bis 2012" soll auch die Beschäftigungsquote der 55- bis 64-Jährigen auf 50 Prozent bis 2013 erhöht werden - eine Abschaffung der Hacklerpension wird nicht angedacht. Dafür wird die Harmonisierung der Pensionssysteme eingemahnt und die "Reform der Finanzierung der sozialen Sicherheit, indem nicht nur Löhne als Basis für die Beiträge herangezogen werden".
Das Ziel stabiler Budgets will man durch stärkere Besteuerung von Vermögen erreichen. Um den Finanzmärkten Fesseln anzulegen, wird eine verstärkte Aufsicht und Regulierung aller Akteure und Produkte gefordert und eine Finanztransaktionssteuer befürwortet.
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