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Die Suche nach einer anderen Welt bekommt Auftrieb aus Ägypten

Von Georg Friesenbichler

Analysen

Seit 2001 ist es ein alljährliches Ritual: Vertreter von Nichtregierungsorganisationen, Bewegungen und Initiativen treffen einander in einem Entwicklungsland, um sich über Alternativen zum heutigen Zustand der Welt auszutauschen. Gegründet wurde dieses Weltsozialforum als Kontrapunkt zum Weltwirtschaftsforum, zu dem Staatenlenker und Wirtschaftskapitäne jedes Jahr in Davos zusammenkommen. Heuer in Dakar wird es erstmals nicht zeitgleich zu der Veranstaltung in dem Schweizer Skiort abgehalten, will man doch vermeiden, dass man in der Medienberichterstattung immer an die zweite Stelle gerückt wird.


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Davos wurde bei der Gründung des Weltsozialforums als das große Feinbild betrachtet, in dem sich die Vertreter des Neoliberalismus auf Verteidigungslinien des kapitalistischen Systems verständigen. Mittlerweile wird Davos diese Bedeutung durch die G8-Treffen und durch die Meetings der Welthandelsorganisation streitig gemacht.

Grundsätzlich bleiben aber die Prinzipien bestehen, die nach dem ersten Treffen im brasilianischen Porto Alegre aufgestellt wurden: Alternativen vorzuschlagen "in Opposition zu einem Prozess der Globalisierung, der befohlen wird von den großen multinationalen Konzernen und von den Regierungen und internationalen Institutionen, die den Interessen jener Konzerne zu Diensten sind, unter der Mittäterschaft nationaler Regierungen."

Die Themenpalette ist dementsprechend breit: Die Weltwirtschaftskrise und ihre Auswirkungen, Hunger, Migration und Reisefreiheit, Klimawandel, Landraub gehören heuer unter anderem dazu. Die bunte Vielfalt der teilnehmenden Organisationen macht aber auch die Bewertung schwierig. Denn einheitliche Schlüsse können, abgesehen vom vagen allgemeinen Prinzip von "Eine andere Welt ist möglich", nicht gezogen werden, schon deshalb, weil sich das Weltsozialforum als nicht hierarchische Veranstaltung begreift.

Somit bleibt von diesen Treffen oft nur der Eindruck eines bunten Haufens zurück, der sich zwar in Tanz, Gesängen und Parolen freudig zusammenfindet - sich aber letztlich folgenlos versammelt, um sich des Umstands zu versichern, dass man mit seiner Kritik nicht alleine steht auf der Welt.

Nur heuer ist das ein wenig anders, denn Tunesien und Ägypten zeigen vor, dass Aufbegehren von unten etwas bringen kann. Das Thema des ersten Veranstaltungstages, Afrika, hat durch die Vorgänge im Norden dieses Kontinents ungeahnte Aktualität bekommen.

Der dort zu beobachtende Umsturz der Verhältnisse braucht allerdings auch spezifische Voraussetzungen, wie sie derzeit in arabischen Ländern zum Leidwesen mancher Forum-Teilnehmer offenbar leichter zu finden sind als anderswo. Ohne eine Massenbewegung mit einheitlichen Forderungen geht jedenfalls nichts, ist die Lehre, die ein marokkanischer Gewerkschafter in Dakar zog: "Druck von der Straße ist das, was zu Ergebnissen führt."