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Die Sucht nach Individualität

Von Judith Schmitzberger

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Ohne Individualität geht heute nichts mehr. Jedes Detail des Lebens will mit einer persönlichen Note versehen werden. Bei so grundsätzlichen Dingen wie Wohnung, Kleidung oder Urlaub ist dabei bei weitem nicht Schluss. Finden Sie den Wohnungs-Duft, der nur zu Ihnen passt, kreieren Sie Ihren ganz persönlichen Klingelton oder lassen Sie sich Ihr eigenes Müsli mischen, das nur Ihnen schmeckt. Verwirklichen Sie sich selbst!


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Viele dieser Personalisierungsversprechen sind nicht mehr als gut gemachtes Marketing. Sie machen Individualität zur neuen, gut getarnten Konformität. Wenn jeder gleich einzigartig ist, sind erst recht wieder alle gleich. Die Gesellschaft hier spielt mit einer alten Sehnsucht: dem Bedürfnis, sich unterscheiden zu wollen, unverwechselbar zu sein. Und damit auch ein Stückchen weniger austauschbar, in einer Gesellschaft, die Werten und Parameter wechselt wie die Unterwäsche. Individualität kann jedoch auch zum Zwang werden. Nämlich dann, wenn sie Unterschiede vor Gemeinsamkeiten stellt, wenn das, was uns von einander trennt, wichtiger ist als das, was uns verbindet.

Oft ist sie eine große illusionäre beschäftigungstherapeutische Blase voller Nebensächlichkeiten. Bei relevanten Themen wie politischem Engagement oder Zivilcourage ist individuelle Verantwortung kein Thema mehr, da schwimmen wir doch lieber mit der Masse.