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Die Sucht nach Sicherheit

Von Christian Ortner

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Andreas Treichl, Chef der "Erste Bank" mit leichter Neigung zu unkonventionellem Denken, hat diese Woche geradezu Schockierendes von sich gegeben. Die Einlagensicherung der Banken, so Treichl, solle ihren Kunden im Ernstfall künftig einen Selbstbehalt aufbrummen; und zwar "einen hohen Selbstbehalt". Heißt: Wenn eine Bank ihre Sparer nicht auszahlen kann, dann sollen diese einen erheblichen Teil des Schadens selbst tragen müssen, anstatt zu hundert Prozent von der Einlagensicherung schadlos gehalten zu werden.


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So etwas gilt hierzulande freilich als kalter, herzloser und menschenverachtender Neoliberalismus und ist deshalb ungefähr so populär wie die Forderung, das Wiener Hochquellwasser an einen amerikanischen Hedgefonds zu verkaufen. Arme, unschuldige Sparer, die zu Opfern ruchloser Spekulanten mit Banklinzenz geworden sind, nicht völlig zu entschädigen, ist in der hiesigen Wertewelt ungefähr so anstößig wie quengelige Kleinkinder nächtens im Wald auszusetzen.

Daran ändert auch nichts, dass Treichl in der Sache völlig recht hat. Denn die garantierte Sicherheit der Einlagen begünstigt natürlich vor allem windige Banken, die mit unrealistisch hohen Zinsen Kunden anlocken. Denen kann das damit zwangsweise verbundene höhere Risiko völlig wurscht sein, wenn sie zu 100 Prozent abgesichert sind; den Schaden haben seriösere Häuser, die nur mickrige Renditen anbieten können - und im Ernstfall dann auch noch jene Mittel bereitstellen müssen, aus denen die Einlagensicherung gespeist wird. Letzten Endes subventionieren damit die Sparer, die bei solideren Häusern anlegen, jene Sparer, die dubiosere Institute mit höheren Zinsen präferieren.

Gäbe es freilich diese Susi-Sorglos-Garantie nicht, müsste der Sparer natürlich selbst höhere Erträge gegen die damit verbundenen Risken abwägen - oder aber eben den Verlust eines erheblichen Teils seiner Ersparnisse in Kauf nehmen.

Das hieße: Er müsste sich von einem teilentmündigten Spar-Schaf mit Vollkaskomentalität zu einem mündigen Konsumenten von Finanzprodukten entwickeln. Und, je nach Risikobereitschaft oder Lebenssituation, mal in riskantere und rentierliche, mal in sichere, aber ertragsame Sparprodukte unterschiedlicher Anbieter investieren.

Es ist dies freilich ein der österreichischen Mentalität eher fremder Gedanke; nicht nur im Zusammenhang mit den Dienstleistungen der Geldhäuser. Dass Treichls Vorschlag nicht eben auf euphorische Zustimmung stieß, überrascht daher nur mäßig.

Es ist weniger die konkrete Causa selbst als die dahinter verborgene Mentalität, die zu beklagen ist. Wer wie Treichl mehr Eigenverantwortung einfordert, wer dem Einzelnen wieder mehr Dispositionsfreiheit einräumen will, der wird hierzulande regelmäßig ins herzlose Ungustl-Eck gestellt. Wer hingegen dem Einzelnen die Illusion vorgaukelt, "der Staat" oder "die Allgemeinheit" könne so etwas wie eine Universal-Versicherungspolizze gegen Risken aller Art darstellen, darf sich allgemeiner Zustimmung des sicherheitssüchtigen Landes sicher sein. Hochleistunggesellschaften schauen anders aus.