Zum Hauptinhalt springen

Die Suderei über "neoliberale" Jugendliche

Von Wolfgang Lusak

Gastkommentare
Wolfgang Lusak ist Managementberater.

Eine Gesellschaft, die immer wieder nur polarisierende Auseinandersetzung schafft, statt ihre einigenden Kräfte zu bündeln, scheitert.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 12 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Mit Headlines wie "Was ist mit unserer Jugend los?" beklagen viele Medien und Menschen die Ergebnisse aktueller Studien der Jugendkulturforschung. So sind sie "irritiert" oder erschrecken heftig darüber, dass zum Beispiel 36 Prozent der Jugendlichen Faulheit und Mangel an Willenskraft als Gründe für Armut ansehen. "Jeder ist seines Glückes Schmied", ist laut Beate Großegger vom Institut für Jugendkulturforschung, eine Art Motto für die heutige Jugend. Und die Studienleiterin meint: "Darin spiegelt sich der neoliberale Zeitgeist."

Was mich an den "erschreckten" Interpretationen konkret stört, ist, dass eine vielleicht wieder vermehrt leistungsorientierte Jugend in die Nähe von "neoliberalem" - ergo egoistischem, kapitalistischem, sozialfeindlichem - Denken und Handeln gerückt wird. Als wären das jetzt alles die Kinder von Reichen, die gnadenlos auf unverschuldet Arme herabsehen.

Wenn man aber gerne dem Kindermund die Wahrheit zubilligt, dann könnte man Halberwachsenen vielleicht auch zugestehen, dass ihre Einstellungen nicht nur von einem "Zeitgeist", sondern von täglichen Erlebnissen in der Schule und am ersten Arbeitsplatz geprägt sind. Und da erleben sie andere Jugendliche (egal, ob aus belastetem Milieu oder aus intakten Familien), die auf Lernen und Anstrengung "pfeifen" und Ansätze zu einer Sozialfall-Karriere zeigen.

Der Fehler ist, dass man nach althergebrachter Klassenkampf-Manier die Gräben zwischen den zwei leider sehr präsenten, aber viel zu sehr polarisierenden Gruppen Arm und Reich vertieft und dabei auf die Mehrheit, nämlich den Mittelstand, ganz vergisst. Dieser vereint ja die beiden in diesem Zusammenhang jeweils vom "Gegner" geforderten guten Eigenschaften in sich: nämlich willensstarkes Vertrauen in die eigene Leistung und solidarisches Handeln in Richtung sozial Schwacher.

Mir fällt da noch die häufig gehörte Aussage "Armut kann jedem passieren" ein, die seit Jahren von durchaus zu Recht hoch geschätzten Sozialorganisationen und Armutsbekämpfern kommuniziert wird. Als emotionaler Aufruf zu sozialer Gerechtigkeit und großzügigem Spenden hat diese Aussage ihre volle Berechtigung, als Philosophie für hoffnungsvolle Jugendliche, Existenzgründer und innovative Pioniere hat sie aber etwas Verstörendes, Fatalistisches an sich. Weil sie zu sehr ein schicksalhaftes "Pech" heraufbeschwört und im Umkehrschluss die Hoffnung auf ein "Glück" nahelegt, welche in der Praxis zu selten in Leistung und zu oft in Erwartungen an Dritte bis hin zum Glückspiel mündet.

Um eines klarzustellen: Ich befürworte eine Spekulations- und eine Finanztransaktionssteuer, die Rückführung der ungeheueren Reichtümer von Konzernen und Superreichen in die Gesellschaft und echte Chancengleichheit.

Aber eine Gesellschaft, die aufgeregt immer wieder nur polarisierende Auseinandersetzung schafft und ihren Mittelstand ignoriert, anstatt ihre einigenden Kräfte zu bündeln, scheitert.

Die Suderei über "neoliberale" Jugendliche geht mir auf die Nerven.