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Die Sünden der Wissenschafter

Von Heiner Boberski

Wissen

Forscher über ihr eigenes und an anderen beobachtetes Fehlverhalten.


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Wien. Die nicht korrekte Angabe von Autoren einer Studie dürfte das häufigste Fehlverhalten innerhalb der wissenschaftlichen Kommunität sein. 56 Prozent von etwa 3000 befragten Wissenschaftern in Österreich haben einen solchen Vorgang schon beobachtet oder selbst dazu beigetragen. Das geht aus einer Umfrage hervor, die das Institut für Forschungsinformation und Qualitätssicherung Berlin im Vorjahr für den Wissenschaftsfonds FWF durchführte. Im Auftrag der Österreichischen Agentur für wissenschaftliche Integrität (OeAWI) wurden dabei die Forscher auch gefragt, ob sie in den letzten drei Jahren bestimmte Grundregeln ihres Standes selbst verletzt oder ein Fehlverhalten an Kollegen beobachtet hätten.

"Wir haben ein Problem", fasst OeAWI-Chef Christoph Kratky, ehemals FWF-Präsident, die Resultate zusammen. Am häufigsten komme es vor, dass Personen in einem Autorenteam genannt werden, obwohl sie nichts zu einer Studie beigetragen haben. Was früher vor allem bei Klinikchefs im Medizinbereich gängige Praxis war, auch als "Missbrauch eines Autoritätsverhältnisses", nehme aber eindeutig ab: "Es gibt jetzt ein Problembewusstsein." Seltener passiert es, dass jemand ungenannt bleibt, der Substanzielles zu einer Studie beigetragen hat.

Echtes Problem: "Schlamperei"

Weitere Hauptsünden der Wissenschafter: unerlaubte Ideennutzung (von 38 Prozent beobachtet beziehungsweise begangen), verzerrte Interpretation von Daten (35), unsachgemäße Begutachtung (33), Fälschen und Manipulieren von Daten (26), Zweckentfremdung von Mitteln (23). Ein Prozent der Befragten gab zu, auf Druck von Mittelgebern selbst Studienresultate verändert zu haben. Eigenes Fehlverhalten wurde nur in sehr geringem Maß eingeräumt (bei der Autorschaft waren es 7 Prozent). Aus nur beobachtetem Fehlverhalten - theoretisch könnten viele einen einzigen Fall beobachten - lasse sich, so Kratky, nicht schließen, wie oft tatsächlich die Regeln verletzt würden. Dabei betreffe das "größte Problem nicht die wenigen Datenfälscher, sondern Schlamperei". Unter Zeit- und Konkurrenzdruck würden zu rasch unzureichend abgesicherte Resultate publiziert.

In Deutschland fiel die Umfrage unglaublich ähnlich aus, was aus Kratkys Sicht bedeutet, "dass wir in Österreich weder besonders delinquent noch besonders brav sind". Österreich sei aber "privilegiert, weil es eine Einrichtung wie die OeAWI gibt, die sich seriös mit solchen Vorwürfen auseinandersetzt". Es sei jedenfalls nötig, präventiv etwas gegen wissenschaftliches Fehlverhalten zu tun. Wie viel dabei die OeAWI sowie die Universitäten mit Workshops und anderen "pädagogischen Maßnahmen" ausrichten können, sei freilich offen.