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Die Super-Immunen

Von WZ-Korrespondentin Lilo Millitz-Stoica

Politik

Ein neues Gesetz bewahrt Rumäniens Politiker vor allen Korruptionsverfahren.


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Bukarest. Wann immer ein rumänischer Politiker in den vergangenen Monaten in einem anderen EU-Land zu Gast war, hatte er unfreiwillig auch immer ein Thema mit im Gepäck. Sechs Jahre nach dem Beitritt zur Union gilt das Land in Sachen Rechtsstaatlichkeit noch immer als problematischer Nachzügler, in zahlreichen Korruptionsindizes findet sich Rumänien auf den hinteren Rängen wieder. Der Machtkampf zwischen Premier Victor Ponta und Präsident Traian Basescu im Sommer 2012, der teils mit rechtstaatlich fragwürdigen Mitteln geführt wurde, galt da für viele in Europa bloß als weiterer Beleg für die noch immer großen Defizite des Landes in diesem Bereich.

Knapp eineinhalb Jahre später liefert Rumänien seinen europäischen Kritikern nun mit einem Gesetz, das der politischen Elite des Landes quasi eine Super-Immunität zusichert, neue Munition. Konkret beschlossen die mit einer Zweidrittelmehrheit regierenden Sozialisten von Premier Ponta zwei Änderungen des zum 1. Februar 2014 in Kraft tretenden neuen Strafgesetzbuches, durch die den beiden wichtigsten Korruptionsbekämpfungsbehörden des Landes künftig die Hände gebunden werden: Zum einen werden die Staatsanwälte der Antikorruptionsbehörde DNA nicht mehr gegen das Staatsoberhaupt, Parlamentsabgeordnete, Kommunalpolitiker und eine Reihe von Behördenchefs wegen Amtsmissbrauch, Einflussnahme oder Bestechung vorgehen können. Zum anderen wird die für die Vermögenskontrolle der Politiker zuständige Integritätsbehörde ANI diese nicht mehr wegen eines Interessenskonfliktes vor Gericht bringen können, da besagter Straftatbestand völlig verwässert wurde. Laut verabschiedeter Änderung wird künftig keine "Verwaltungshandlung" der Zentral- oder Lokalpolitiker mehr strafbar sein. Rumänische Politbeobachter sind sich einig, dass diese Änderung hauptsächlich einem straffreien Anzapfen von EU-Mitteln dient - sämtliche lokalen Politgrößen können dadurch nämlich sorglos Aufträge aus öffentlicher Hand an die eigene Firma, Verwandtschaft oder Klientel vergeben, ohne rechtliche Konsequenzen fürchten zu müssen.

"Zehn Jahre zunichte"

Darüber hinaus wollen Pontas Sozialisten auch ein Amnestiegesetz durchboxen, durch das ein Großteil der wegen Korruptionsdelikten verurteilten Politiker vorzeitig auf freien Fuß käme. Auch für die derzeit noch mit den Mühlen der Justiz kämpfenden Politiker wurde vorgesorgt, indem die Verjährungsfrist etlicher Korruptionsdelikte verkürzt wurde.

Staatspräsident Traian Basescu geißelte das Vorgehen der linksliberalen Mehrheit mit harten Worten: Sie setze ihren "Putsch vom letzten Jahr mit anderen Methoden, unter dem Deckmantel der Demokratie" fort und sei offensichtlich immer noch bestrebt, sich die Rechtsinstitutionen des Landes politisch unterzuordnen. Die verabschiedeten Änderungen würden "zehn Jahre Korruptionsbekämpfung zunichte machen", ein derartiges Gesetz werde er niemals gegenzeichnen, sondern dem Parlament zurücksenden und notfalls vor dem Verfassungsgerichtshof anfechten, stellte der Staatschef klar.

Auch die beiden Antikorruptionsbehörden reagierten entsetzt: Die Chefin der Sonderstaatsanwaltschaft DNA Laura Kövesi warf dem Parlament vor, die von Rumänien eingegangenen internationalen Konventionen zur Korruptionsbekämpfung eklatant zu verletzen und dutzende Korruptionsverfahren gegen mehr oder minder hochrangige Politiker mutwillig zunichte zu machen. Der Chef der Integritätsbehörde ANI, Horia Georgescu, erklärte, dass dem Rechtsstaat damit ein weiterer schwerer Schlag versetzt und Rumänien den letzten Funken Glaubwürdigkeit in den Augen der EU verspielen werde.

Doch scheint die Koalition unter Premier Ponta derzeit herzlich wenig auf die EU, deren Grundwerte oder den bisher angestrebten Schengen-Beitritt des Landes zu geben: Ponta erklärte jüngst patzig, dass die Aufnahme Rumäniens in den grenzkontrollfreien Schengenraum für seine Regierung "keine Priorität" mehr darstelle, während Außenminister Titus Corlatean ankündigte, "wegen Schengen nicht mehr auf den Knien rutschen" zu wollen. Viel lieber hofieren die linksliberalen Machthaber dieser Tage ohnehin die Volksrepublik China - um Premier Li Keqiang anlässlich seines unlängst erfolgten Besuchs gnädig zu stimmen, scheute Pontas Koalition nicht davor zurück, die Flagge der Europäischen Union aus den Empfangsräumen der Regierung und dem Plenarsaal des Parlaments zu entfernen.