Zum Hauptinhalt springen

Die Super-Marios retten den Euro

Von Hermann Sileitsch

Wirtschaft

Zwei Italiener sind verantwortlich für Wandel zum Positiven - Risiken bleiben.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 12 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Frankfurt. Am Mittwoch wird die "Dicke Bertha" zum zweiten und (vorerst) letzten Mal abgefeuert: Gemeint ist nicht das Geschütz aus dem Ersten Weltkrieges, sondern ein geldpolitischer Paukenschlag. Die Europäische Zentralbank schüttet abermals ihr Füllhorn aus und versorgt die Banken unbeschränkt mit billigem Geld - für den ungewöhnlich langen Zeitraum von drei Jahren.

Premiere war am 6. Dezember. Damals haben 523 Banken dankbar zugegriffen und 489 Milliarden Euro abgerufen. Die Wirkung dieser Aktion sei unterschätzt worden, sagte EZB-Chef Mario Draghi nun zur "Frankfurter Allgemeinen" - weil alle massive EZB-Staatsanleihenkäufe, im Jargon martialisch "Bazooka" genannt, erwartet hätten. "Vielleicht hätte ich den Tender als Dicke Bertha ankündigen sollen", scherzt Draghi.

100 Tage des Mario Monti

Der Stimmungswandel im Anleihenmarkt ist offensichtlich - die Eurozone erhält so eine wichtige Atempause. Im Herbst 2011 noch kletterten Tag für Tag die Zinslasten der spanischen und italienischen Staatsanleihen auf Rekordhöhen. Die Eurozone schien kurz vor dem Kollaps, weil Rom seinen Schuldenberg von 1,9 Billionen Euro zu diesen horrenden Konditionen nicht ewig hätte finanzieren können. In der Spitze erreichten die Renditen für zehnjährige Papiere rund 7,5 Prozent. Heute liegt der Wert unter 5,5 Prozent. Nicht einmal Rezessionsprognosen für die Eurozone oder Ratingabstufungen trüben die Laune.

Der Fairness halber: Auch die Politik war nicht untätig - die EU hat mehr Budgetdisziplin gelobt und den "Fiskalpakt" geschnürt. Und Griechenland wird an einen neuen Rettungstropf angeschlossen. Den größten Anteil hatten allerdings Draghi und ein weiterer "Super-Mario", der seit 100 Tagen im Amt ist: Seit dem Wechsel von Party-Premier Silvio Berlusconi zu Mario Monti am 16. November werden Italien erstmals wieder ernsthafte Reformen zugetraut.

Draghi, seit knapp 120 Tagen EZB-Chef, attestieren Ökonomen wiederum, die Zentralbank aus der Sackgasse geführt zu haben. Wegen ihrer strengen Regeln - keine Staatsfinanzierung, strikter Fokus auf Preisstabilität - kann die EZB nicht so frei agieren wie ihr Pendant in Großbritannien oder in den USA. Draghi muss deshalb kreativ sein - und er nützt die Freiräume, seit die deutschen "Falken", also Hardliner und Kritiker wie Axel Weber oder Jürgen Stark, die EZB-Führung verlassen haben.

Die EZB selbst sagt, sie will eine Kreditklemme verhindern und die Geldversorgung für die Wirtschaft sicherstellen. Exakt so begründet die Bank Austria ihre Teilnahme beim ersten Tender. Die Erste Group spricht von drei Milliarden Euro, die im Dezember abgerufen wurden. Damit sei die kurzfristige Interbanken-Finanzierung ersetzt worden. Beide Institute überlegen noch, ob sie am kommenden Mittwoch zugreifen. Auch Raiffeisenbank International zögert noch; sie hatte aber schon im Dezember ausgesetzt.

Gefahr der Überhitzung

Österreichs Banken seien nicht auf die EZB-Finanzierung angewiesen, sagt Österreichs oberster Notenbanker Ewald Nowotny. Eine "Liquiditätsschwemme" sieht er nicht.

Auf kurze Sicht überwiegen die positiven Effekte. Denn indirekt kommt die Großzügigkeit der EZB den Eurostaaten natürlich zugute. Weil die Banken für das Geld keine eigenen Anleihen auflegen müssen, kommen sie den Staatspapieren nicht in die Quere.

Die Geldinstitute des Euroraums sind überdies verleitet, selbst Staatsanleihen zu kaufen: Geld für ein Prozent Zinsen abrufen und mit viel höherer Rendite veranlagen: Das ist ein Angebot, das kaum jemand ablehnen kann. Noch dazu, wo die Papiere bei der EZB als Sicherheit für frisches Geld hinterlegt werden können.

Das vermeintliche Perpetuum mobile läuft freilich nur, solange sich die Stimmung verbessert: Sollte diese wie im Herbst 2011 kippen, hätten die Banken mehr problematische Staatspapiere in den Büchern als zuvor. Auch die Langzeitfolgen sind strittig. Immerhin müssen die gewaltigen Summen in drei Jahren zurückgezahlt werden. Dieses Geld zu ersetzen, könnte für die Banken dann deutlich teurer werden.

Manche Ökonomen befürchten, dass die Geldschwemme die Teuerung anheizt. Es gebe im Euroraum keine inflationären Tendenzen, im Gegenteil, kontert Draghi - und die Zentralbank könne das Geld notfalls rasch absorbieren.

"Die EZB agiert unter Draghi aggressiver als die US-Notenbank Fed zu ihrer Hochzeit", sagt Investmentprofi Markus Schuller (Panthera Solutions). Die Inflationsrisiken hält er trotz der Aufblähung der EZB-Bilanz für moderat. Allerdings gebe es die Gefahr von Spekulationsblasen - und das nicht nur in boomenden Schwellenländern: Schuller sieht in Hamburg, Berlin oder München Signale für eine Überhitzung von Immobilienpreisen. So könnte ungewollt eine Basis für die nächste Finanzkrise gelegt werden.