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"Wenn Du Deine Suppe nicht aufisst, wird Dir der Krampus Kohlen bringen." Es bedarf eines gewissen Alters, dass man solch einen Satz noch im Ohr hat: Erziehung durch Angst ist ein Konzept, das nicht nur bei kindlichen Suppenverweigerern funktioniert, sondern etwa auch bei Sekten. Doch die Großmutter wusste noch etwas anderes zu erzählen: Dass man natürlich bei den Bombenangriffen im Zweiten Weltkrieg Angst gehabt, aber mit der Zeit gelernt hat, mit dieser Angst umzugehen.
Zeitenwechsel.
Leuchtenden Auges erklärt der Virologe in der Fernsehsendung die Tricks der Omikron-Variante, worauf die Wissenschaftsseiten den neuen viralen Teufel an die Wand malen. Was sie dabei vergessen: Zwischen ihrer schreckbegeisterten Betrachtung und dem Laienverhalten klafft ein Spalt. Hoffnungslosigkeit treibt auch niemanden zur Impfung.
Möglicherweise wäre es besser, statt mit der Angstrhetorik die Menschen immer tiefer in die Depression hineinzustoßen, Viktor Frankls Konzept der Sinnfindung anzuwenden: Wer einen Sinn erkennt, denkt positiv, und eine positiv denkende Gesellschaft verhält sich solidarischer als eine depressive. Wirkt die Impfung bei Omikron schwächer? - Offenbar. Ist sie deshalb sinnlos? Natürlich nicht. Es bedarf freilich eines entpolitisierten Fingerspitzengefühls, das zu vermitteln und die Lage von der sinnlosen Depression in einen sinnerfüllten Optimismus zu wandeln. Vielleicht sollten in die Krisenstäbe auch einmal Logo-
therapeuten berufen werden.