Zum Hauptinhalt springen

Die Swift-Affäre und die EU

Von Waldemar Hummer

Kommentare
Waldemar Hummer ist Universitätsprofessor für Europa- und Völkerrecht an der Universität Innsbruck. Foto: privat

Seit nunmehr sechs Jahren greifen US-amerikanische Behörden, unter anderem auch Geheimdienste, rechtswidrig auf den Datenbestand von Swift. Erst jetzt reagiert die EU. | Am 23. Juni 2006 machte die New York Times eine brisante Information bekannt: Verschiedene US-Behörden - darunter auch der amerikanische Auslandsgeheimdienst CIA und das FBI - hätten sich auf der Grundlage administrativer Beschlagnahmeanordnungen seit Ende 2001 Zugriff auf Zahlungsverkehrsdaten des Finanzdienstleisters Swift verschafft, die im sogenannten "black box"-Verfahren an die US-Behörden transferiert und dort weiterverarbeitet wurden.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 17 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

In Presseberichten ist dabei von mehr als 20 Millionen übermittelter Bankdaten pro Jahr die Rede. Erst durch ein "Memorandum of Understanding" zwischen dem US-Finanzministerium und Swift aus dem Jahre 2004 wurden seitens der USA einige datenschutzrechtliche Zusicherungen gegeben.

Die EU reagierte erst jetzt und schloss am 28. Juni 2007 mit den USA eine Übereinkunft über den Zugriff von US-Dienststellen auf die Finanzdaten von Swift ab. Demgemäß soll Swift in den USA nach Maßgabe des EU-Datenschutzrechts behandelt werden. Auf der anderen Seite sollen die Konsumenten der Swift-Finanzdienstleistungen darüber informiert werden, dass seitens des US-Finanzministeriums auf die Swift-Daten im Rahmen des "Terrorist Finance Tracking Program" zugegriffen werden kann. Die Daten dürfen fünf Jahre lang gespeichert werden. Wenn sie nicht für die Terrorbekämpfung benötigt werden, müssen sie sofort gelöscht werden.

Die Banken-Kooperation

Swift (Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication) ist eine im belgischen La Hulpe an sässige genossenschaftliche Banken-Kooperation, der rund 8000 Kommerzbanken, Brokerhäuser, Börsen und andere Finanzinstitute in 206 Ländern angeschlossen sind. Sie verfügt über ein weltweites Monopol für die Verarbeitung und Abwicklung des internationalen Zahlungsverkehrs. Der Swift Net FIN-Dienst führt täglich bis zu 12 Millionen Überweisungen und Bankgeschäfte aus.

In Zoeterwoude in den Niederlanden und Culpepper in den USA befindet sich jeweils ein Operating Center. Der Zugriff der USA erfolgte über die Swift-Niederlassung in Culpepper, in der die Finanzdaten von Swift/Belgien zu Datensicherungszwecken "gespiegelt" werden.

Der Abruf der von Swift verwalteten Daten ermöglicht es den USA, personenbezogene Daten und Informationen über die wirtschaftlichen Tätigkeiten von Staaten, Unternehmen und Privatpersonen zu gewinnen.

Das kann nicht nur zur Verletzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung, sondern auch zu Formen des "data mining" im Sinne von Wirtschafts- und Industriespionage führen. In der Offenlegung von solchen Daten an Dritte kann zudem auch ein Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht als bankvertragliche Nebenpflicht gegenüber dem Kunden gesehen werden.

Aber nicht nur der US-amerikanische Zugriff auf die Swift-Daten selbst, sondern bereits die zu bloßen Datensicherungszwecken vorgenommene "Spiegelung" der Daten von Swift/Europa an Swift/USA begegnet rechtlichen Bedenken.

Die Standardvertragsklauseln vom 16. September 2005 zwischen Swift/Europa und Swift/USA entsprechen weder den Vorgaben der EG-Datenschutz-Richtlinie noch denen der EG-Datenschutz-Verordnung.

Der wahre Skandal liegt allerdings darin, dass sich zehn Präsidenten europäischer Nationalbanken und der Präsident der Europäischen Zentralbank an ihre gegenseitigen Vertraulichkeitszusagen beziehungsweise formellen Zuständigkeitsgrenzen bei ihrer Aufsicht über Swift beriefen, als sie der Swift-Board ausdrücklich um Unterstützung ersuchte, um den Datenzugriff der USA abzuwehren.