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Die systemrelevante Allgemeine Unfallversicherungsanstalt?

Von Ernest G. Pichlbauer

Gastkommentare
Dr. Ernest G. Pichlbauer ist unabhängiger Gesundheitsökonom und Publizist.

Die Diskussion rund um die AUVA ist absurd überzogen, verunsichert alle und ist doch nur ein Machtkampf.


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Von Kahlschlag und Kaputtsparen wird gesprochen, mancher fühlt sich gar in den autoritären Ständestaat zurückversetzt. Und was hören Bürger und Patienten heraus? Unfallkrankenhäuser (UKH) werden gesperrt, 370.000 Verletzte werden, wenn sie nicht auf der Straße verbluten wollen, alles selbst bezahlen müssen.

Ist das so? In Österreich werden 2,8 Millionen Menschen jährlich in Spitäler aufgenommen - 40.000 davon in UKH. In Spitalsambulanzen fallen 8,9 Millionen Fälle an - 330.000 davon in UKH. Selbst in der flächendeckenden Unfallversorgung sind UKH nur von geringer Bedeutung: Denn mit sieben Spitälern in fünf Bundesländern versorgen sie weniger als ein Fünftel aller Unfallopfer.

Wenn jetzt, wie manche skandieren, alle UKH über Nacht zusperrten, würde die Versorgung der Patienten Probleme bereiten, aber keinesfalls zusammenbrechen - dafür sind es einfach zu wenige.

Und an das Schließen denkt niemand - es geht auch nicht. Denn, jeder hat ein Recht auf Versorgung, und weil die Unfallkrankenhäuser versorgungswirksam sind, muss deren Leistung, unabhängig, ob es die AUVA in der heutigen Form gibt oder nicht, aufrechterhalten werden.

Und das ist der Grund für den Polit-Streit. In UKH werden zu 90 Prozent Patienten behandelt, für die diese nicht zuständig sind - nämlich solche nach Freizeitunfällen. Das wären die Krankenkassen. Die jedoch haben die "normale" Spitalsversorgung den Ländern übertragen und zahlen dafür, pauschal und unabhängig von der Anzahl der Patienten, einen definierten Prozentsatz ihrer Einnahmen. Diese Pauschale deckt jedoch nur die Hälfte der anfallenden Spitalskosten ab - der Rest kommt aus den Landesbudgets.

UKH sind aber keine "normalen" Spitäler. Die Kassen, und das ist rechtlich gar nicht anders möglich, bezahlen ihnen in etwa das Gleiche wie "normalen" Spitälern. Da UKH aber keine Länder haben, um Defizite zu decken, muss die AUVA das aus Beiträgen stemmen. Es handelt sich also um eine Quersubvention der Krankenkassen und Länder durch die AUVA. Der Quell eines Jahrzehnte alten Polit-Streits.

Dazu kommt, dass die stationäre Unfallversorgung im "normalen" Spital pro Patient etwa 3400 Euro kostet, im UKH 5700 Euro. Ob diese Differenz gerechtfertigt ist, ist nicht eruierbar. Wenn sie gerechtfertigt ist, dann haben wir es mit einer öffentlich finanzierten Zwei-Klassen-Medizin zu tun; wenn sie es nicht ist, kann man daraus auf die Motivationslage jener schließen, die mit der Verunsicherung der Patienten um den Erhalt des AUVA-Systems (eine selbstverwaltete Institution, die eigene medizinische Einrichtungen betreibt - ein international seltenes Modell) kämpfen.

Wie es aussieht, schafft es auch diese Regierung nicht, einen transparenten Reformprozess zu starten, der es den relativ wenigen "Systemprofiteuren" verunmöglicht, Patienten zu verunsichern und vor die eigenen Interessen zu schieben. Wie katastrophal der Prozess läuft, sieht man im Übrigen daran, dass sich die SPÖ ohne Probleme schützend vor jene AUVA stellen kann, die sie vor einem Jahr, im Rahmen einer Reform, noch selbst abschaffen wollte.