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Arbeitsgruppe im Kreuzfeuer. | Beleidigungen bei öffentlichen Diskussionen. | Wien. Im Regierungsprogramm findet sich unter "Grundsätzliches" zu Justiz der Hinweis, dass die Regierungsparteien alles unternehmen wollen, um das Funktionieren der Justiz sicherzustellen, um die Grund- und Freiheitsrechte zu garantieren und auszubauen und den Wirtschaftsstandort Österreich zu fördern.
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So knapp schon die Regierungserklärung zum wichtigen Thema "Justiz" ist, so sind die Ausführungen zum riesigen Bereich des Zivilrechtes noch knapper und am knappsten sind sie zu einem Thema, das immer wieder im Brennpunkt ausgewiesener Kommentatoren steht, nämlich zum Schadenersatzrecht: Ihm ist ein ganzer Absatz mit elf Zeilen auf Seite 148 des Regierungsprogrammes gewidmet. Darin heißt es unter anderem, dass die "Diskussion über eine allfällige Reform des Schadenersatzrechts . . . unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Position fortgeführt werden" soll. Worum geht es?
Arbeitsgruppenentwurf war der Anstoß
2001 trat auf Initiative des Justizministeriums eine Arbeitsgruppe zusammen, um einen "Entwurf eines neuen österreichischen Schadenersatzrechtes" zu erstellen. Dieser wurde 2005 vorgelegt.
Laut der nunmehrigen Präsidentin des Obersten Gerichtshofs (OGH), Irmgard Griss, haben mehrere Gründe dafür gesprochen, die Reform in Angriff zu nehmen: Das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch (ABGB) regle das Schadenersatzrecht nicht umfassend, sondern eher punktuell. Es würden Aussagen zu den zentralen Begriffen Rechtswidrigkeit, Verursachung und Verschulden derzeit bloß erwähnt; die Richter sehen sich, so Griss, "mit einer Vielzahl schadenersatzrechtlicher Bestimmungen in den verschiedensten Gesetzen konfrontiert". Und jetzt der wesentliche Punkt zum "veritabel wogenden Streit": "Der Anforderung, elastisch zu sein, ohne sich in höchst konkretisierungsbedürftigen Generalklauseln zu erschöpfen, kann eine Norm am ehesten gerecht werden, wenn sie einem beweglichen System . . . folgt" .
Die Kritik an dem Entwurf ließ nicht lange auf sich warten: Um die vom Ministerium geforderte wissenschaftliche Auseinandersetzung zu ermöglichen, wurde von den Professoren Rudolf Reischauer, Karl Spielbüchler und Rudolf Welser ein Arbeitskreis ins Leben gerufen.
Heftige Kritik wegen
Unklarheit
Die Kritik des Arbeitskreises war von außergewöhnlicher Heftigkeit und wurde im zweiten Band "Reform des Schadenersatzrechtes, zum Entwurf einer Arbeitsgruppe" zusammengefasst. Es bestehe keine Notwendigkeit, "das gute und relativ lesbare, in einem gewissen Sinn sogar zeitlose Schadenersatzrecht des ABGB ganz über Bord zu werfen und es durch ein Regelwerk zu ersetzen", meint Welser darin.
Reischauer charakterisiert den Entwurf gar mit einer Reihe von Negativa wie "Unbestimmtheit, Unklarheit und Beliebigkeit". In seiner Regelungsdichte sei der Entwurf unausgewogen, er sei von einer "bewundernswerten Unschärfe", aber andererseits bemüht, Angelegenheiten bis ins Einzelne zu regeln.
Vor allem spricht Reischauer die europäische Dimension an: Die Einführung eines Normengebäudes wie das des Arbeitsgruppen-Entwurfes würde Österreich von den anderen europäischen Rechtsordnungen abkoppeln. Dies wäre "auch zum Schaden der österreichischen Wirtschaft, die sich im internationalen Wettbewerb bewähren muss".
Bei der schriftlichen Kritik ist es aber nicht geblieben. Anlässlich einer Veranstaltung in der Wiener Wirtschaftskammer im November 2006 referierten Autoren dieses Bandes in Anwesenheit etlicher Arbeitsgruppenmitglieder, ebenso in einer von SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim veranstalteten Enquete im Parlament am 28. Februar 2007. Bei solchen Veranstaltungen zeigt sich, wie ungleich massiver und unbehaglicher das gesprochene Wort im Vergleich zu einer kritischen und schriftlichen wissenschaftlichen Auseinandersetzung wirkt, besonders wenn die Kritisierten persönlich anwesend sind. Glücklicherweise leben wir in einem solchen demokratischen Gefüge, das unumschränkte, auch durchaus drastische bis verletzende Meinungsäußerungen fordert und fördert. Grenzen solcher Meinungsäußerungen gibt es dennoch - ganz unabhängig von der Frage eines gesetzlichen Exzesses, von der Höchstgerichtsjudikatur oder von Strassburger EGMR-Vorstellungen. Es sollte solche Grenzen zumindest bei solchen öffentlichen "Hearings" geben: Nämlich im Rahmen der Courtoisie, der akademischen Diskussionskultur und des professionellen Austausches.
Gegenvorschläge statt Zankereien
Wichtig ist, wie der Vertreter des Justizministeriums, Gerhard Hopf, hervorgehoben hat, dass "als Ergebnis der vorliegenden Veranstaltung beziehungsweise in weiterer Sicht konkrete Gegenvorschläge" erwartet werden können. Eine Arbeitsgruppe des Ludwig Boltzmann-Institutes für Gesetzgebungspraxis und Rechtsanwendung arbeite gemeinsam mit dem Österreichischen Rechtsanwaltskammertages an einem Gegenentwurf zum Arbeitsgruppen-Entwurf. Parallel dazu ist zu erwarten, dass das Justizministerium die "Rechtsanwender" zu Vorschlägen und Diskussionen einlädt, also Richter, Rechtsanwälte, Notare, Versicherungen, Konsumentenschützer, Gruppen also, die im juristischen Tagesgeschehen mit der Materie konfrontiert sind. Die Zusammensetzung lässt zügig neue Ideen und Vorschläge in dieser so wichtigen Materie erwarten - und eine Beruhigung im Herangehen an das Thema.
Harald Bisanz ist Präsident der Rechtsanwaltskammer Wien. Der ausführliche Beitrag erscheint in der Märzausgabe der Zeitschrift Nova & Varia des Juristenverbandes.